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Reisebericht Litauen 12.-17.4.04
Der Studienaufenthalt eines Freundes in der litauischen Hauptstadt Vilnius (Wilna) war die ideale Gelegenheit, dem EU-Beitrittsstaat Litauen einen Besuch abzustatten. Mit sechs Leuten planten wir in der Woche nach Ostern eine Reise dorthin. Als günstigstes Verkehrsmittel erwies sich der Europabus: preiswert, ohne Umsteigen und mit sicher verwahrtem Gepäck.
Ende März kauft ein Mitglied unserer Reisegruppe die Fahrkarten. Die fünf Mitfahrer aus dem Ruhrgebiet steigen auf dem Hinweg in Kassel in den Bus, da die direkte Linie von Essen aus nicht täglich fährt. Eine Mitfahrerin fährt mit einer anderen Linie von Hamburg aus. Zurück fahre ich mit zwei anderen direkt nach Essen, die anderen bleiben noch zwei Tage länger und fahren dann über Kassel.
Montag, 12.4.04
Bochum Hbf ab 8.24 RB 22907
Hagen Hbf an 8.48
Hagen Hbf ab 9.13 RE 29207
Kassel-Wilhelmshöhe an 12.10
Da wegen des Feiertagsmorgens die Züge ab Recklinghausen nur stündlich fahren, lasse ich mich zum Bahnhof Herne bringen und fahre von da mit der U-Bahn nach Bochum. Dort steige ich in die Regionalbahn nach Hagen, die interessanterweise von einer S-Bahn-Garnitur bedient wird. Drei Mitglieder meiner Reisegruppe sitzen schon im Zug. Wir verteilen unser doch etwas umfangreiches Gepäck, so gut es geht, und fangen an zu plaudern. In Hagen treffen wir den fünften im Bunde und entern den 628 nach Kassel gleich bei dessen Ankunft. Pünktlich um 9.13 Uhr geht es los, und bald biegen wir in das bei Schwerte noch ziemlich breite Ruhrtal ein. Aus einer alten Eisenbahnkarte habe ich die Information im Kopf, dass die Strecke bis Neheim-Hüsten elektrifiziert ist, das scheint jedoch nicht (mehr) zu stimmen. Hinter Bestwig, wo die Strecke nach Winterberg abzweigt, kämpfen wir uns den Berg hoch, um die Wasserscheide zu überqueren. Hinter einem längeren Tunnel liegt Brilon Wald, wo bereits ein mit „Korbach“ beschilderter 628er wartet. Zu diesem Zeitpunkt ist die Strecke dorthin allerdings noch zwischen Willingen und Usseln unterbrochen, es wird SEV eingesetzt. Ab hier ist die Strecke eingleisig, so dass die nächste Kreuzung erst im Bahnhof Marsberg stattfindet. Der Gegenzug ist ein 612er - die Sauerlandstrecke ist das einzige Refugium dieser Baureihe in NRW.
Bald wird die Landschaft wieder flacher, und bei Warburg erreichen wir die Hauptstrecke Paderborn - Kassel. Jetzt werden auch die Halte wieder weniger, nachdem wir im Sauerland mangels RB-Bedienung fast überall gehalten haben. Ohne Zwischenfälle passieren wir schon bald eine imposante Gleiskreuzung und erreichen den Kasseler Hbf. Seit der Eröffnung des ICE-Bahnhofs Wilhelmshöhe hat dieser viel von seiner Bedeutung verloren, was man dem Bahnhofsgelände auch ansieht. Trotzdem gibt es Interessantes zu sehen: etwa die aus Saarbrücken geliehenen Wagen der Regiotram. Nach dem Kopfmachen geht es über die kurze Strecke bis zur Endstation Wilhelmshöhe weiter, wo wir zuerst den Busabfahrtplatz suchen und uns anschließend Essen holen und uns in die Wartehalle setzen.
Kassel-Wilhelmshöhe ab 13.30 T 201
Der Bus trifft kurz vor der planmäßigen Abfahrtszeit am Osteingang des Bahnhofs ein. Der Fahrer und seine Ablösungen sind für das Einladen des Gepäcks zuständig, die Busbegleiterinnen kontrollieren Fahrscheine und Pässe und teilen die Sitzplätze zu. Zunächst sitze ich auf meinem zugewiesenen Sitzplatz neben einem anderen Passagier, nach der Abfahrt setze ich mich allerdings auf einen freien Platz, so dass ich mich über den Gang mit dem Rest der Gruppe unterhalten kann. Der Bus fährt durch Kassel zur A 49 und von dort auf die A 7. Der Fahrstil ist sehr angenehm, der Busfahrer fährt sicher und überschreitet nicht die 80 km/h. Die Marke „Eurolines“, unter der die internationalen Buslinien laufen, ist übrigens ein Zusammenschluss verschiedener nationaler Unternehmen. Unser Bus fährt für eine lettische Firma, wird aber seinem internationalen Charakter durch die Mehrsprachigkeit nicht nur der Sicherheitsaufkleber, sondern auch der Busbegleiterinnen gerecht. Letztere sind für alle Fragen der Sicherheit und Fahrgastbetreuung zuständig. Sie verkaufen auch Getränke und Fertiggerichte aus der buseigenen Mikrowelle. Zum Zeitvertreib werden übrigens auch Videos gezeigt, auf der Hinfahrt sehen wir „Natürlich blond“ auf deutsch und „Johnny English“ auf russisch.
Über die A 39 erreichen wir die A 2, wo wir bald zu unserer ersten Rast in Helmstedt halten. Leider kommen wir nicht dazu, die Gedenkstätte in der ehemaligen Grenzkontrollstelle anzusehen - vielleicht ein andermal. Jetzt geht es erst einmal weiter Richtung Berlin, wo wir am ZOB am Funkturm unseren letzten Halt zum Einsteigen einlegen. Dieser verlängert sich etwas, da es Probleme mit dem Fahrschein eines Zugestiegenen gibt und schließlich sogar die Polizei gerufen werden muss. Mit einer Stunde Verspätung geht es schließlich weiter über die Stadtautobahn, über die Rudower Chaussee und am Flughafen Schönefeld vorbei Richtung Frankfurt (Oder). Gegen 23 Uhr fahren wir über die Oderbrücke und halten an der polnischen Grenzkontrollstelle. Die Kontrolle geht erstaunlich schnell: ein Zollbeamter kommt durch den Bus, sammelt die Pässe ein, geht zum Zollhaus und gibt sie uns nach kurzer Zeit mit Einreisestempeln zurück. Die Fahrt kann also weitergehen. Kurz hinter der Grenze machen wir die letzte Rast vor der Nacht.
Danach versuche ich etwas zu schlafen, was mir aber zunächst nicht gelingt. Wir fahren über zweispurige Landstraßen mit Ortsdurchfahrten. Auffällig sind für mich die großen Gewerbegebiete an den Stadträndern, die mich mit ihren Riesensupermärkten ein wenig an Frankreich oder Kanada erinnern. Schließlich schlafe ich doch etwas, werde aber bald durch einen Halt zum Tanken geweckt. Die gegen fünf Uhr morgens folgende Durchfahrt durch Warschau nehme ich nur im Halbschlaf wahr.
Auch nach der ersten Rast an einer Tankstelle in einem kleinen Ort schlafe ich noch ein wenig. Erst gegen neun Uhr bin ich wach und schaue mir interessiert die Gegend an: Plattes Land wechselt sich mit dichten Wäldern ab. Zwischendurch durchfahren wir einige gemütlich aussehende kleine Städte. Die ehemalige Grenze zu Ostpreußen ist nicht weit, und so sehen die Marktplätze demjenigen des Heimatortes meiner Großeltern (sowie Tanten und Onkel) recht ähnlich.
An den Straßen wird kilometerweit heftig gebaut, wie uns die Schilder verraten, bereits mit finanzieller Unterstützung der EU. Bald hinter Suwałki kündigt uns das Ende einer langen Lkw-Schlange die nahende litauische Grenze an. Die Grenzabfertigung ist dort zweigeteilt: zuerst bekommen wir einen polnischen Ausreisestempel, danach müssen wir eine Weile im „Niemandsland“ warten. Wir erforschen solange die Reihenfolge der Sprachen auf unseren Pässen (sie sind nach der Eigenbezeichnung der Sprachen sortiert), bis schließlich die litauischen Grenzbeamten einsteigen und uns den dritten Stempel in den Pass drücken.
Hinter der Grenze ist erst einmal das Umstellen der Uhren sowie eine Rast angesagt, und ich sehe meine ersten Wörter auf litauisch: visą parą - durchgehend geöffnet. Bald geht es weiter durch eine Landschaft, die uns wahlweise an Kanada oder Südafrika erinnert. Unterwegs zweigt eine Straße in eine Stadt ab, die zweisprachig angekündigt ist: Karaliaučius/Kaliningrad - der litauische Name der Stadt war mir bis dahin unbekannt. Weiter geht es auf der Landstraße an Marijampolė vorbei. Durch einige gewagte Überholmanöver verspielt der jetzige Busfahrer (es wechseln sich drei Fahrer ab) ein wenig von dem bisher guten Eindruck bei uns. Schließlich erreichen wir Kaunas, wo wir von der Umgehungsstraße über eine breite Brücke über die Nemunas (Memel) den Busbahnhof im Zentrum erreichen.
Dienstag, 13.4.04
Kaunas an 12.25
Kaunas ab 13.00
Vilnius an 14.40
Dort herrscht Hochbetrieb: Der Bus ist national wie international das Hauptverkehrsmittel. Wir nehmen unser Gepäck in Empfang und gehen damit zum Minibus, der uns nach Vilnius bringen wird. Die Koffer werden in einem Anhänger verstaut, wir fünf machen uns mit etwas genau so vielen anderen Passagieren im Fahrgastraum des Busses breit. Los geht es auf die Autobahn, die Kaunas und Vilnius verbindet. Der Fahrer hat zwar einen etwas offensiven Fahrstil, trotzdem fühle ich mich aber gut aufgehoben. Wir fahren durch Wälder und an idyllisch aussehenden Seen mit Holzhausdörfchen vorbei, bis wir nach einer guten Stunde schließlich Vilnius erreichen, wo wir den Busbahnhof ansteuern, der schräg gegenüber vom Eisenbahnhof liegt. Unser Gastgeber holt uns ab und bringt uns mit dem Trolleybus zu unserem Quartier, einem Studentenwohnheim. Wir sind alle erstaunlich wach, und so können wir einkaufen, einen ersten Rundgang durch die schöne Altstadt machen und essen gehen.
Samstag, 17.4.04
Vilnius ab 14.50
Kaunas an 16.30
Kaunas ab 16.35 T 203
Nach vier sehr schönen Tagen in Wilna (mit einem Ausflug nach Trakai) steht am Samstagmittag für drei von uns die Rückfahrt an. Der Busbahnhof in Wilna hat wie ein Bahnhof eine Einkaufspassage, mehrere überdachte Bussteige und sogar Ansagen. Im fernbusentwöhnten Deutschland gibt es so etwas wohl nur in Berlin und München. Unser Bus ist leicht zu finden: Uns bringt derselbe Minibus wie auf der Hinfahrt, vom selben Fahrer gefahren, auf derselben Strecke wieder zurück nach Kaunas. Dort suchen wir am voll belegten Busbahnhof einen Bus, der mit „Köln“ beschildert ist und stellen uns in die Schlange. Als wir endlich an die Reihe kommen, erfahren wir, dass die Linie geteilt fährt: Dieser Bus fährt nach Berlin und Hannover, während die Ziele dahinter vom benachbarten Bus bedient werden. Also steigen wir dort ein. Anders als auf der Hinfahrt ist der Bus bis auf den letzten Platz besetzt, und wir können erst zusammen sitzen, nachdem die Busbegleiterin bei der Abfahrt einen Ringtausch vornimmt. Wir verlassen Kaunas über die Nemunas-Brücke und fahren auf derselben Strecke wie auf dem Hinweg zur polnischen Grenze. Unterwegs überholen wir den anderen Bus, was sich bald als Vorteil erweist: Diesmal müssen wir nämlich zwei Stunden an der Grenze warten.
Abgesehen davon ist nicht vieles anders als auf der Hinfahrt. Allerdings bekommen wir in Polen diesmal keine Stempel. Videos gibt es aber, diesmal „Der Sturm“ und „Der dreizehnte Krieger“. Bald werde ich müde und beschließe zu schlafen. Obwohl mich stutzig macht, dass der Fahrer einem Wegweiser nach Warschau nicht folgt, schlafe ich ein. Diesmal bekomme ich noch weniger von der Fahrt mit, außer dass wir natürlich trotzdem über Warschau fahren (der Fahrer hat offenbar einen Umweg in Kauf genommen, um die Autobahn zu benutzen). Erst kurz vor der deutschen Grenze wache ich wieder auf.
An der Grenze selber haben wir wiederum einen ziemlich langen Aufenthalt. Ich ziehe meine Schuhe wieder an, die mir nach der Nacht im Bus kaum noch passen, und wir nutzen die Wartezeit für einen Toiletten- und Spaziergang sowie zum Kartenspielen. Schließlich geht es weiter, wir fahren über die Oderbrücke - und werden auf dem nächsten Parkplatz von der Polizei angehalten. Offenbar handelt es sich um eine Routinekontrolle, so dass es bald weiter geht. Praktischerweise halten wir nur noch zum Rasten, unser erster Verkehrshalt ist tatsächlich Essen. Da es bis dahin auch keine besonderen Vorkommnisse gibt, vertreiben wir uns die Zeit mit Musikhören, Lesen, Kartenspielen, Unterhalten und Schlafen.
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Sonntag, 18.4.04
Essen Hbf an 16.45
Essen Hbf ab 16.32 RE 10528
Dorsten an 17.01
Wir erreichen Essen deutlich vor der planmäßigen Zeit, offenbar sind auch für die Grenzaufenthalte genug Puffer im Fahrplan. Das Auslassen der Halte Berlin und Hannover wird aber sicher auch einiges ausgemacht haben. So bleibt jedenfalls noch genug Zeit für mich, um mich von meinen Begleitern zu verabschieden und den „Borkener“ nach Dorsten zu besteigen. Von dort aus nehme ich den Bus nach Hause und komme kurz vor meinen Eltern an, die in der Osterwoche ebenfalls im Urlaub waren. Wir essen gemeinsam und schauen ein Video, das sie im Urlaub gedreht haben. Es strapaziert meine Augen zusehends, so dass ich merke, wie müde ich eigentlich bin. An die Litauen-Fahrt werde ich mich jedenfalls auch ohne Video noch lange erinnern.
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