In Ewigkeit, Amrum

Und schon wieder ein Urlaub: Die letzte Woche habe ich mit ein paar Freunden auf der Nordseeinsel verbracht. Obwohl es wie für andere Inseln auch die Möglichkeit gibt, eine durchgehende Fahrkarte Zug-Schiff-Bus zu buchen, habe ich zunächst nur einen Fahrschein bis und ab Dagebüll Mole gekauft. Hintergrund: Ich hatte noch zwei Rewe-Gutscheine im Wert von je 10 Euro geschenkt bekommen, die nur für Online-Tickets einlösbar waren. Die durchgehenden Fahrscheine nach Amrum gibt es aber nur per Postversand. Wenn ich richtig recherchiert habe, kostet außerdem die getrennte Buchung auch ohne die Gutscheine ein paar Euro weniger als die durchgehende. Eine Reservierung in den Kurswagen nach Dagebüll war beim Kauf Mitte Juli nicht möglich, ich vermutete, dass bereits alle Plätze besetzt waren.

Umsteigen musste ich auf der Hinfahrt in Hanau und Kassel, mit einer um eine Stunde früheren Abfahrt hätte auch ein Umstieg nur in FF ausgereicht. Pünktlich in FKW angekommen, musste ich nur ein paar Minuten am Bahnsteig stehen bleiben und die Ankunft von IC 2190 FF–Westerland abwarten, der trotz des innerdeutschen Laufwegs von einem ÖBB-Taurus gezogen wurde. Direkt dahinter befanden sich die beiden Kurswagen nach Dagebüll Mole, die zu diesem Zeitpunkt noch gähnend leer waren. Also setzte ich mich auf den erstbesten Fensterplatz (Reservierungsanzeigen gab es leider nicht) und schlief erst einmal ein. Bei einem außerplanmäßigen Halt in Uelzen wurde ich wieder wach, entgegen meinen Befürchtungen fuhr der Zug aber nach kurzer Zeit weiter, so dass wir fast pünktlich AH erreichten, wo unser Taurus sogleich abkuppelte. Neue Zugloks waren zwei 218er, wovon ich aber nichts mitbekam, da jede Menge Familien mit Kindern den Wagen stürmten und eine davon mich von meinem Platz vertrieb. Der neue Platz eine Reihe weiter wurde zum Glück nicht beansprucht, so dass ich weiterhin – nun berieselt von der Benjamin-Blümchen-Titelmusik – im Kurswagen sitzen konnte. Zwischendurch genoss ich einen Pflaumenkuchen mit heißer Schokolade im Bordbistro, bevor wir dann pünktlich um 17.10 Uhr den Bahnhof Niebüll erreichten, der auch mit dem friesischen Namen Naibel beschildert ist. Jetzt begann der spannende Teil der Reise: Die beiden Kurswagen wurden abgekoppelt und von den Zugloks bis zum Abzweig der neg-Strecke vorgezogen. Dort übernahm sie ein neg-Triebwagen, der auf den ersten Blick wie ein 628er aussah, aber wohl keiner war, und zog sie in den neg-Bahnhof, der gegenüber dem DB-Bahnhof liegt und weiter über die Dagebüller Strecke. An den Bedarfshalten auf dem Weg wollte niemand ein- oder aussteigen, so dass wir flott Dagebüll Mole erreichten, wo rechts der Fähranleger und links nichts als offenes Meer zu sehen war. Dort war dann gerade noch genug Zeit, um am Automaten die Schiffsfahrkarte zu kaufen. Die Variante, die auch im Bus auf Amrum gilt, gibt es dort leider nicht, möglicherweise hätte sie aber der neg-Schaffner im Zug verkauft.
Zwei Stunden dauerte die Schiffsüberfahrt mit Zwischenhalt in Wyk auf Föhr, bis dann kurz vor 20 Uhr Wittdün auf Amrum erreicht war. Über die Transportkette konnte ich wahrlich nicht meckern: der Bus stand am Anleger bereit, war nur leider angesichts der vielen Anreisenden kurz vor der Überfüllung. Stehend kam ich um 20.30 Uhr an meinem Ziel Norddorf an, wo ich eine sehr entspannende Woche mit viel Sonnenschein, aber ohne ÖPNV verbrachte.

Am Samstag spulte sich das Ganze dann in umgekehrter Richtung ab: 11.30 ab Norddorf, diesmal begleitet von einem meiner Miturlauber. Der Bus war fast genau so voll, das Schiff fuhr diesmal mit einer halben Stunde Zeitersparnis direkt nach Dagebüll. Dort standen die beiden Kurswagen schon bereit, in die sich prompt deutlich mehr Fahrgäste hinein zwängten als Sitzplätze vorhanden waren. Denjenigen, die ab Niebüll reserviert hatten, musste erst einmal erklärt werden, dass ihre Platznummern sich nicht auf den Kurswagen bezogen, was einigen Unmut hervorrief. Außerdem stellte sich heraus, dass der Zeitpunkt der Reservierung nicht unbedingt etwas darüber aussagte, ob man auch einen Platz bekam (siehe hierzu auch die → Reservierungsinformationen von der neg). Zum Glück fanden wir noch Plätze, die erst ab AH reserviert waren und konnten daher sitzen. Eine Alternative, auch für die stehenden Fahrgäste, wäre die Mitfahrt im Triebwagen mit Umstieg in Niebüll gewesen, allerdings gab es beim Einstieg kein Personal, das darauf hinwies.
Niebüll erreichten wir nach verspäteter Abfahrt (Grund unbekannt) und Kreuzungsaufenthalt in Blocksberg mit etwa +15. Diesmal setzte uns wohl der neg-Triebwagen ans hintere Ende des IC 2315, so dass die Zugloks an ihrem Platz bleiben konnten. Übrigens haben die Kurswagen eigene Fahrplanheftchen mit dem Zuglauf Dagebüll Mole–FF! Nachdem die stehenden Fahrgäste mit Sack und Pack in den restlichen Zug umgestiegen waren, fuhren wir mit derselben Verspätung weiter gen Süden. Der Lokwechsel (2×218 auf 101) fand diesmal in Itzehoe statt und verkürzte die Verspätung erheblich, so dass wir mit nur noch +5 AH erreichten. Das war auch gut so, denn unsere Übergangszeit auf ICE 683 betrug nur 11 Minuten. So mussten wir nur kurz am Gleis 14 stehen bleiben und die Einfahrt der Einzeltraktion ICE 2 abwarten. Innen waren die Reservierungsanzeigen (die anscheinend immer noch mit Disketten gesteuert werden) außer Betrieb, so dass wir uns, von unseren Plätzen vertrieben, erst einmal auf den Weg ins Bordrestaurant machten. Nach einer leckeren Portion Nürnberger Würstchen mit Kartoffelsalat bzw. einem Tomate-Mozzarella-Sandwich suchten wir freie Plätze und fanden sie im Kleinkindabteil, das sich durch eine Spiellandschaft gegenüber den Sitzen auszeichnet.
Statt zu spielen, verbrachten wir aber die nächsten drei Stunden mit Lesen und Unterhalten. Vor meinem Ausstiegsbahnhof Würzburg zogen wir uns noch eine leichte Verspätung durch Bauarbeiten mit Nutzung des Gegengleises zu. Da aber meine Übergangszeit locker ausreichte, verabschiedete ich mich ohne Hast von meinem Reisegefährten und ging erst einmal in die Bahnhofsbuchhandlung. Der Anschlusszug ICE 524 kam fast pünktlich aus MH, zog sich dann aber durch die schon erwähnte Baustelle +5 zu. Gegen 21.40 Uhr in NAH angekommen, brachten mich die Menschenmassen am Bahnhof darauf, dass wegen des Stadtfestes die Busse länger fuhren. Nach einer Odyssee vom Busbahnhof zum Ersatz-Busbahnhof (was man nicht im Kopf hat …) fand ich dort aber weder einen passenden Bus noch einen Aushang über die erweiterten Betriebszeiten vor – ich bin versucht, das als „typisch AB“ einzustufen, aber wahrscheinlich kann das überall passieren … Also zu Fuß zum Bahnhof zurück und mit dem Taxi nach Hause, was auch nur unwesentlich teurer war als die Busfahrt. Vielen Dank an euch, dass ihr bis hierher gelesen habt ;).

Wettbewerb im Fernverkehr – kommt er bald?

Interessante Meldungen gingen dieser Tage durch die Presse: Zum einen will die französische Staatsbahn SNCF über ihre Tochter Keolis (die in Deutschland unter der Marke Eurobahn fährt) in den deutschen Fernverkehrsmarkt einsteigen. Ab 2011 sollen die Strecken Frankfurt–Hamburg und Frankfurt–Berlin mit 20 „gebrauchten Zügen“ (wahrscheinlich Corail-Wagen) bedient werden. Weitere Infos dazu gibt es bisher nicht.

Wesentlich konkreter sind da andere Pläne: Ab August 2010 hat das bisher unbekannte Unternehmen Locomore Fahrplantrassen für die Strecke Köln-Hamburg gebucht. Der genaue Fahrplan kann noch bis Montag beim → Lok-Report abgerufen werden. Es handelt sich um drei Fahrten pro Tag montags bis donnerstags. Am Wochenende gelten abweichende Fahrzeiten. Die Fahrten sind „fast“ vertaktet, d.h. die Minuten der einzelnen Fahrten weichen nur geringfügig voneinander ab. Mit einer Fahrzeit von etwa 4 Stunden und 10 Minuten sind die Züge nur unwesentlich langsamer als die ICs der DB auf dieser Strecke. Auffällig ist allerdings, dass statt Bremen der kleine Bahnhof Sagehorn bedient wird, an dem es aber direkte Anschlüsse von und in die Hansestadt gibt.

Wird das neue Angebot Erfolg haben? Darüber wird natürlich in den einschlägigen Foren und → Newsgroups jetzt schon heiß diskutiert. Knackpunkte werden – wie schon von Prof. Aberle prophezeit – vor allem der Tarif und die Anschlussmöglichkeiten sein. Die wenigsten Fahrgäste wollen genau von Köln Hbf nach Sagehorn oder von Gelsenkirchen Hbf nach Hamburg Hbf fahren, also schauen wir uns die Anschlüsse einmal an: Die Locomore-Züge fahren durchgehend etwa eine halbe Stunde versetzt zu den DB-Fernzügen. Wenn wir annehmen, dass die Nahverkehrszüge auf letztere abgestimmt sind, gibt die Fahrplanlage der neuen Züge überall dort gute Anschlüsse, wo der Nahverkehr im Halbstundentakt oder öfter fährt, wie es im Ruhrgebiet und in Hamburg meistens der Fall ist. Und auch in Osnabrück werden innerhalb einer halben Stunde Anschlusszüge in alle Himmelsrichtungen erreicht (Richtung Bremen allerdings nur über Delmenhorst). Die Fahrplanlage bietet also hier einiges Potenzial, bliebe als wunder Punkt der Tarif: Wenn für eine Strecke Marl-Sinsen–Hamburg-Rahlstedt drei Fahrscheine gekauft werden müssen, die wegen der Degression des DB-Tarifs (und der Nicht-Anerkennung der Bahncard) womöglich mehr kosten als ein durchgehender, wird das natürlich zu Lasten des neuen Angebots gehen. Ebenso fällt die Flexibilität weg, jeden Zug benutzen zu können, die man zumindest mit dem Normalpreis der DB hat. Man darf also gespannt sein, wie der Tarif (über den noch nichts bekannt ist) der neuen Züge letztendlich aussieht, denn er wird eine entscheidende Rolle im Kampf um deren Erfolg spielen.

Wettbewerb im Fernverkehr

Warum gibt es in Deutschland eigentlich kaum Fernverkehr auf der Schiene, der nicht von der Deutschen Bahn betrieben wird? Diese Frage wird mir als Eisenbahnfreund immer wieder gestellt, und auch mit bahninteressierten Freunden habe ich sie schon diskutiert. Es liegt jedenfalls nicht etwa daran, dass die DB ein Monopol im juristischen Sinne hätte. Seit der Bahnreform 1994 kann jedes Unternehmen, das die notwendige Anerkennung als Eisenbahnverkehrsunternehmen hat, Fernzüge fahren lassen. Allerdings muss das – wie bei der DB auch – eigenwirtschaftlich passieren, d.h., es gibt keine staatlichen Subventionen, sondern die Einnahmen dürfen nur aus dem Fahrkartenverkauf stammen.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Professor Aberle, eine Koryphäe der Verkehrswissenschaft, fasst in einem Kommentar* einige Gründe für den schwachen Wettbewerb im SPFV zusammen:

  • Die notwendigen Fahrzeuge sind teurer als im Nahverkehr: Lok und Wagen, die 200 km/h fahren können, sind teurer als ein Dieseltriebwagen mit einer Spitzengeschwindigkeit von 80 km/h. Außerdem gibt es keine Subventionen für die Fahrzeugbeschaffung, und die DB verschrottet alte Fernverkehrsfahrzeuge lieber, als sie an Wettbewerber zu verkaufen. Ähnlich sieht es bei den notwendigen Werkstätten aus.
  • Mit der BahnCard hat die DB ein sehr wirksames Kundenbindungssystem, von dem Wettbewerber nicht profitieren können. Selbst wenn sie die BahnCard aus Marketinggründen anerkennen, bekommen sie keinerlei Vergütung dafür von der DB oder öffentlichen Stellen. Auf den DB-Konkurrenten InterConnex wurde von DB und Land Mecklenburg-Vorpommern sogar Druck gegen eine Anerkennung der BahnCard ausgeübt (so schreibt es jedenfalls die → Wikipedia).
  • Es ist sehr schwierig, passende so genannte Fahrplantrassen (das Pendant zu Slots im Luftverkehr) zu bekommen. Auf vielen Strecken gibt es nur eine Möglichkeit pro Stunde, einen schnellen Zug fahren zu lassen, und diese ist oft bereits von der DB belegt. Gibt es noch weitere schnelle Trassen, liegen sie oft so, dass es an den Knotenpunkten keine guten Umsteigeverbindungen gibt – da die wenigsten potenziellen Fahrgäste an den Hauptbahnhöfen wohnen, würde der Zug am Fahrgastpotenzial vorbei fahren.
  • Dort, wo es keine Fernverkehrszüge (mehr) gibt, sind oder waren sie meistens für die DB nicht wirtschaftlich. Wegen der Markteintrittsbarrieren (siehe oben) ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich der Betrieb für einen Wettbewerber erst recht nicht lohnt. Eine der wenigen Ausnahmen ist der → InterConnex zwischen Rostock und Leipzig, der einmal täglich zu deutlich niedrigeren Preisen als die DB fährt.

Diese Lage auf dem Fernverkehrsmarkt hat schon zu Forderungen geführt, ähnlich wie im Nahverkehr auch den Fernverkehr zu subventionieren. In seinem Kommentar erteilt Aberle dem eine klare Absage („abstruser Vorschlag“). Ich selber bin da etwas hin- und hergerissen, bin aber der Meinung, dass die DB durch ihre vom Staat „geerbten“ Fernverkehrszüge einen klaren Wettbewerbsvorteil hat. Und Politiker, die sich über einen weggefallenen Intercity-Halt in ihrer Stadt aufregen, sollten so konsequent sein, für dessen Erhalt auch etwas springen zu lassen. Andererseits können halbleere Fernzüge weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll sein. Die Wahrheit liegt also – wie so oft – irgendwo in der Mitte.

* Aberle, Gerd: ICE-Verkehr vom Steuerzahler zu finanzieren?, in: Internationales Verkehrswesen 9/2009

Mitfahrzug

Die → Leicesterschwester hat mich auf etwas Interessantes aufmerksam gemacht: den → Mitfahrzug. Ins Leben gerufen hat das Angebot die Internationale Gesellschaft für Eisenbahnverkehr (IGE). Sie bietet häufig Sonderzüge in ganz Deutschland und den Nachbarländern an und will so die dazugehörigen Leerfahrten auslasten. Dementsprechend ist das Angebot sehr überschaubar, aber auch sehr günstig, wenn man zufällig ein Ticket für eine der angebotenen Strecken braucht.

Nachtrag (März 2010): Da die Domain mitfahrzug.de seit längerem nicht erreichbar ist, gehe ich davon aus, dass es auch den Mitfahrzug nicht mehr gibt.