So – auf deutsch etwa „Bahnstadt“ – heißt das Eisenbahnmuseum im elsässischen Mülhausen (Mulhouse), das ich am Samstag besucht habe. Das Museum ist erst vor kurzem komplett renoviert worden und verfolgt seitdem ein ungewöhnliches Konzept: Eine der beiden Fahrzeughallen ist nämlich als Multimediashow konzipiert. Dazu ist sie abgedunkelt (was das Fotografieren schwierig macht), und die einzelnen Fahrzeuge sind mit Figuren und anderen Utensilien drapiert. Vor jedem größeren Fahrzeug steht ein Monitor, auf dem bei Annäherung ein Film startet, der das Fahrzeug in einen historischen Kontext stellt (eine deutsche und englische Übersetzung der Texte gibt es per Kopfhörer). Unter anderem geht es dabei um den Beruf des Lokführers, den Eisenbahnbau in den Bergen oder den Präsidentenwagen. Besonderer Blickfang ist eine auf der Seite liegende Dampflok, die die Sabotage von Strecken durch französische Widerstandskämpfer darstellt. Auch den Deportationen per Bahn während der Besetzung durch die Nazis ist übrigens eine Station des Museums gewidmet. Für Eisenbahnfreunde ist die Präsentation der Fahrzeuge natürlich gewöhnungsbedürftig, zumal die wenigsten Fahrzeuge betreten oder aus Bahnsteighöhe betrachtet werden können. Die umfangreichen Hintergrundinfos machen das allerdings durchaus wieder wett.
Die zweite Halle ist eine gewöhnliche Fahrzeughalle. Hier findet man alte Loks und Wagen von den Anfängen über die Rekordlok CC-7107, die schon 1955 eine Geschwindigkeit von 331 km/h erreichte, bis kurz vor der Gegenwart. Moderne Fahrzeuge, die mich am meisten interessieren, sind natürlich nur als Modelle zu sehen, weil die Originale ja noch im Einsatz sind. Dafür kann man aber ein Video von der TGV-Rekordfahrt mit 574,8 Kilometern pro Stunde bewundern. Ein Gerät, das nach TGV-Führerstandssimulator aussieht, gibt es auch, es war aber leider außer Betrieb. Eine Modellbahnanlage und ein Kinderspielzimmer runden das Ganze ab.
Nach dem Besuch im Museum (der übrigens mit 10 Euro nicht gerade billig war), habe ich noch ein wenig die Stadt und den örtlichen Nahverkehr erkundet. Seit 2006 gibt es hier wieder eine moderne Straßenbahn mit zwei Linien, die den Autoverkehr weitgehend aus der Innenstadt verbannt hat. Ergänzt wird das Netz durch Busse, die zwar relativ häufig, aber wie in Frankreich üblich, auch meistens unvertaktet fahren. Am Bahnhof habe ich dann noch einen Blauwal und einen Corail-Zug bewundert, bevor ich zum gemütlichen Teil der Reise in einer Brasserie überging.
Schlagwort: Frankreich
ICE, TGV und die Medien
Zum Start der Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris–Frankfurt/Stuttgart am Sonntag waren natürlich auch die Zeitungen und Zeitschriften voll mit Artikeln zum Thema. Viele, wie z.B. der „Spiegel“ der aktuellen und die „Zeit“ der letzten Woche, widmeten sich in dem Zusammenhang auch den dahinterstehenden verkehrspolitischen Fragen. Der Tenor – vor allem im „Spiegel“ – war dabei, dass der Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken in Deutschland unnötig von der Politik behindert wird, während in Frankreich hier geradezu paradiesische Zustände herrschen.
An dieser Aussage ist etwas Wahres dran, denn sicherlich dauert der Bau einer durchschnittlichen ICE-Strecke länger als der einer für den TGV. Und auch die ICE-Halte in den Orten Montabaur und Limburg, die voneinander gerade mal 22 km entfernt liegen und zusammen keine 50.000 Einwohner haben, sind eher kurios.
Trotzdem fand ich die Argumentation in den Artikeln etwas einseitig. Das fängt bei der Geografie an: Hinter jedem Bürgermeister, der einen ICE-Halt für seine Stadt fordert, steckt ein gewisses Fahrgastpotenzial – nicht zuletzt durch Umsteiger im → ITF-System, das in Frankreich weitgehend unbekannt ist. Und dafür, dass Deutschland dichter und polyzentrischer besiedelt ist als Frankreich, können weder die DB noch die Bundes- und Landesregierungen etwas. Auch in Frankreich gibt es außerdem TGV-Bahnhöfe „weit ab vom Schuss“ (etwa Haute Picardie und Meuse), die vor allem aus politischen Gründen gebaut wurden (wenn auch mit einem etwas anderen Betriebskonzept). Im „Spiegel“-Artikel ist davon interessanterweise nicht die Rede.
Zweitens sind Neubaustrecken sicher eine feine Sache, aber nicht immer das Nonplusultra. So mokieren sich beide Artikel darüber, dass zwischen Frankfurt und Mannheim „nur“ Tempo 200 gefahren wird und fordern allein deswegen den Bau der NBS Rhein-Main–Rhein-Neckar. Auch das geht ein wenig an der Realität vorbei, denn viel nötiger ist die NBS wegen der derzeitigen Kapazitätsprobleme auf der Riedbahn, während der Fahrzeitgewinn zwischen FF und RM bei einer Erhöhung der Geschwindigkeit von 200 auf 300 km/h nur minimal wäre.
Außerdem spielt bei der Überlegung zum Bau weiterer NBS natürlich wiederum das Fahrgastpotenzial eine Rolle. So kann es im Einzelfall mehr Fahrgästen nutzen, eine (evtl. ausgebaute) Altstrecke zu befahren, als eine teure NBS zu bauen. Diese Möglichkeit ist schließlich auch ein großer Vorteil von herkömmlichen Hochgeschwindigkeitszügen gegenüber dem Transrapid – auch wenn man in den Artikeln dann gerne mitleidig von „Ferkeltaxen“ berichtet, die dem Superzug begegnen (wo gibt es zwischen Frankfurt und Saarbrücken eigentlich 772er?). Ganz zu schweigen davon, dass das auch in Frankreich nicht anders ist, wenn man nicht gerade von Lille nach Marseille fährt.
Und auch die Aussage des „Spiegels“, dass in Frankreich die Autobahn parallel zum TGV nicht ausgebaut wird, wundert mich ein wenig. Zwar kenne ich mich in der Verkehrspolitik unseres Nachbarlandes nicht sehr gut aus, aber ich weiß, dass dort in den letzten Jahren Hunderte von Autobahnkilometern gebaut wurden – darunter eine komplett unabhängige zweite Verbindung Paris–Lyon, also parallel zur ersten TGV-Strecke überhaupt.
Insgesamt werden in der HGV-Politik immer manche Entscheidungen sinnvoller erscheinen und andere weniger. Dabei gibt es allerdings zwischen beiden (und auch anderen) Ländern wesentlich mehr Parallelen, als man bei der Lektüre der Artikel glauben würde. Eins ist aber auf jeden Fall richtig: Der Hochgeschwindigkeitsverkehr wird ein spannendes Thema mit kontroversen Diskussionen bleiben.
Neues Kooperationsangebot DB/SNCF Paris–Stuttgart/Frankfurt
Beim zweiten Teil des Vortrags wurde es dann endgültig international: Herr Ried von der Entwicklungsgesellschaft Rhealys stellte das neue ICE-/TGV-Angebot zwischen Frankfurt/Stuttgart und Paris und dessen Entwicklung vor. Interessant war dabei vor allem die Zusammenführung der völlig unterschiedlichen Betriebskonzepte und Unternehmensphilosophien von DB und SNCF. Hier gab es unzählige Beispiele, wie wegen scheinbar kleiner Details beim jeweils anderen Partner Überzeugungsarbeit geleistet werden musste. So sind z.B. Namensschilder bei Zugbegleitern bei der SNCF, die bisher nur die Dienstnummern ihrer Mitarbeiter kenntlich machen, ein Novum. Ebenso gab es im TGV – der sowieso reservierungspflichtig ist – bisher keine Halter für Reservierungszettel.
All diese kleinen und großen Probleme sind aber inzwischen gelöst und haben – wenn man dem Vortrag glauben darf – eine wahre Quadratur des Kreises bewirkt. Obwohl Züge beider Bahnen abwechselnd fahren (der TGV immer nach Stuttgart und der ICE immer nach Frankfurt), werden die Fahrkarten auf dem gesamten Streckenabschnitt wechselseitig anerkannt. Das gilt auch für nationale Sparangebote wie die BahnCard und die Carte 12-25. Die Reservierungspflicht – die sowieso für innerdeutsche Streckenabschnitte nicht gilt – soll durch kulante Handhabung der Umbuchungen abgemildert werden.
Auch der Service soll in allen Zügen der gleiche sein – angefangen bei den schon erwähnten Namensschildern bis hin zum kostenlosen Essen und den Tageszeitungen in der 1. Klasse. Und natürlich spricht das gesamte Personal sowohl deutsch als auch französisch.
Auch betrieblich war es nicht einfach, die beiden Bahnen unter einen Hut zu bringen. Während bei der SNCF immer noch der betriebsoptimale Fahrplan im Vordergrund steht, ist bei der DB der symmetrische Fahrplan Quasi-Standard. Außerdem mussten außerhalb der NBS natürlich die parallel fahrenden Güter- und Regionalzüge berücksichtigt werden, was ein Grund dafür ist, dass im Vorlaufbetrieb (Juni bis Dezember 2007) zwei der drei ICE aus Paris bereits in Saarbrücken statt in Frankfurt enden. Ab Dezember wird es aber auf der gesamten Strecke einen weitgehend symmetrischen und vertakteten Fahrplan mit durchgehenden Zügen geben.
Der Grund für die Verteilung „Nordast: ICE“ und „Südast: TGV“ ist übrigens recht trivial: TGV und ICE sind zwar im jeweils anderen Land zugelassen, aber nur als Einfachtraktion. Es wäre mit dem ICE also nicht möglich, Straßburg mit Doppeltraktionen anzufahren, was die hohe Nachfrage aber erforderlich macht. Deshalb fährt hier der TGV, dessen zweite Einheit in Straßburg abgekuppelt wird und dort endet oder in die Schweiz weiter fährt.
Auch nach diesem Vortrag wurde noch eine Weile „öffentlich“ diskutiert, bis die Diskussion dann in einen „kleinen Kreis“ verlegt wurde. Ich habe mich dann auf den Weg zum Bahnhof gemacht – nur um dem RE nach Aschaffenburg hinterherzuwinken und unfreiwillig eine Stunde am Frankfurter Hbf zu verbringen …