Mitfahrzug

Die → Leicesterschwester hat mich auf etwas Interessantes aufmerksam gemacht: den → Mitfahrzug. Ins Leben gerufen hat das Angebot die Internationale Gesellschaft für Eisenbahnverkehr (IGE). Sie bietet häufig Sonderzüge in ganz Deutschland und den Nachbarländern an und will so die dazugehörigen Leerfahrten auslasten. Dementsprechend ist das Angebot sehr überschaubar, aber auch sehr günstig, wenn man zufällig ein Ticket für eine der angebotenen Strecken braucht.

Nachtrag (März 2010): Da die Domain mitfahrzug.de seit längerem nicht erreichbar ist, gehe ich davon aus, dass es auch den Mitfahrzug nicht mehr gibt.

Typisch deutsch – typisch belgisch?

Am Samstag war es soweit: ich ging auf die lange geplante Fahrt nach Brügge. Bis Köln ist nichts Bloggenswertes passiert, interessant wurde es erst, als von dort der Thalys endlich losfuhr (nachdem das Einsteigen aller Fahrgäste immerhin etwa zehn Minuten gedauert hatte).
Gleich nach der Abfahrt kam die viersprachige Durchsage, dass man seinen Fahrschein doch bitte immer im Zug mit sich tragen sollte. Diese Regelung mag für Fahrgäste un- und für die Bahngesellschaft praktisch sein (und ich muss gestehen, dass ich mich selten daran halte). Ein Fahrgast neben mir kommentierte es jedoch mit „Typisch deutsch“ – für einen Zug, der zu 62% in französischer und zu 28% in belgischer Hand ist, eine bemerkenswerte Äußerung.

Auf der Strecke Köln–Brüssel hatte sich seit meiner letzten Fahrt im Jahr 2001 eine Menge geändert: Der neue Aachener Buschtunnel ist fertig und die Bahnhöfe Lüttich-Guillemins und Löwen sind komplett neu gebaut, vor allem aber ist die NBS/ABS Lüttich–Brüssel inzwischen in Betrieb. Bis Löwen verläuft sie komplett auf eigener Trasse, dahinter ist die vorhandene Strecke viergleisig ausgebaut, wobei der Fernverkehr interessanterweise auf den inneren Gleisen fährt.

In Brüssel angekommen, bekam ich dann den Beweis dafür, dass auch Verspätungen mit schlechter Informationspolitik nicht „typisch deutsch“ sind: Der Zug nach Ostende war mit +15 angekündigt. Nach insgesamt einer halben Stunde Warten und Ansagen auf französisch und flämisch mit französischem Akzent, die ich leider kaum verstanden habe, kam schließlich ein Zug nach Knokke, der auch über Brügge fuhr. Mein „eigentlicher“ Zug hatte, wie ich dann an der Bahnsteiganzeige in Gent sehen konnte, inzwischen 42 min Verspätung.

Am nächsten Tag war ich dann schon wieder in Brüssel, diesmal als Ausflug von Brügge aus. Auf dem Weg zum Atomium wollte ich eine U-Bahn fotografieren und wurde sofort von einem Sicherheitsmann angesprochen und darauf hingewiesen, dass das nur mit Genehmigung erlaubt sei. Die Begründung war nicht etwa, dass der Blitz den Fahrer irritieren könnte (das hätte ich noch eingesehen), sondern, dass es sich schließlich um Privatgelände handele. Belgische Verkehrsbetriebe scheinen aber sowieso etwas eigen zu sein, denn bis auf die wallonische TEC haben alle eine Klausel, dass Links auf ihre Seiten nur nach Genehmigung erlaubt sind. Ob das eine gute Werbung und rechtlich haltbar ist, sei dahingestellt, jedenfalls gibt es so eben von meiner Website aus keinen Link.

Die weitere Reise konnte ich dann aber ohne Komplikationen genießen. Auf der Rückfahrt aus Brügge fiel mir auf, dass die alte Strecke Lüttich–Aachen, die Thalys und ICE benutzen, an zwei Stellen die Neubaustrecke kreuzt und letztere schon komplett ausgestattet aussah. Nach meinen Recherchen ist das kein Wunder: die Strecke ist seit Dezember 2007 fertig und wird nur deswegen nicht benutzt, weil weder ICE noch Thalys das erforderliche ETCS haben.

Das meiste ist also absolut glatt gegangen, aber es gibt vieles, was im europäischen Eisenbahnbau und -betrieb noch im Argen liegt. Nur merkt man bei einer Fahrt über die Grenze ziemlich schnell, dass davon herzlich wenig „typisch deutsch“ oder „typisch belgisch“ ist …

Betriebsleitstelle der DB Fernverkehr

Zum zweiten Mal in diesem Jahr war ich gestern bei einer Veranstaltung der DVWG (inzwischen überlege ich, Mitglied zu werden). Diesmal haben wir die Betriebsleitstelle von DB Fernverkehr am Galluspark in Frankfurt besichtigt. Natürlich wäre ich am liebsten gleich in die Leitstelle hineinspaziert, aber erst mal gab es einen Vortrag, damit wir überhaupt verstehen konnten, was wir sehen würden.

Zunächst mal gibt es nicht nur eine Leitstelle, sondern mehrere, die horizontal und vertikal organisiert sind: Es gibt Leitstellen von DB Netz, Regio, Fernverkehr und Railion, die jeweils für ihren eigenen Bereich entscheiden können. Alle Bereiche haben regionale Leitstellen, die für die jeweilige Region entscheiden können, und eine bundesweite, die überregional entscheidet. Beim Fernverkehr betrifft das z.B. die Entscheidung, ob ein Zug länger als fünf Minuten auf einen Anschluss warten soll; unter 5 min können die Regionen entscheiden.

Die zentralen Leitstellen von DB Netz, Fernverkehr und Railion befinden sich alle im selben Großraumbüro in Frankfurt. Das führt zu der paradoxen Situation, dass zwar oft der „kurze Dienstweg“ zwischen Netz und den EVU für Synergieeffekte sorgt, andererseits bestimmte Infos vom Netz nicht an die EVU weitergegeben werden dürfen (z.B., wer der Verursacher einer Störung ist).

Die Möglichkeiten der Fernverkehrsleitstelle sind vielfältig: Bei Störungen kann z.B. einer der Ersatzzüge gefahren werden, die an neun zentralen Stellen im Netz stationiert sind. Interessanterweise gehören Hamburg und München nicht dazu, weil dort durch die ICE-Bw immer genug Ersatzzüge zur Verfügung stehen sollten. Möglich ist auch, den Laufweg der Züge zu verlängern, wenn es z.B. keinen fahrplanmäßigen Anschluss mehr gibt. Auch zusätzliche Halte, das Abwarten von Anschlüssen etc. sind möglich, wobei die meisten dieser Regelungen bei DB Netz beantragt werden müssen. Auch für einen Ersatzzug muss natürlich eine eigene Fahrplantrasse bestellt und bezahlt werden. Für diese Kosten kommt übrigens unabhängig vom Verursacher der Störung immer DB Fernverkehr auf.

Danach ging es dann endlich in die eigentliche Leitstelle. Dort sitzen Disponenten mit verschiedenen Zuständigkeitsbereichen (z.B. Bordtechnik nach Baureihen, Zugbetrieb nach Regionen) an Fünffach-Monitoren, an denen sie nahezu alle Daten aus dem Betrieb abrufen können: die genaue Soll- und Ist-Vorbeifahrt bei allen Betriebsstellen, die Anschlüsse auf dem weiteren Laufweg, die Anzahl der umsteigenden Fahrgäste mit Zugbindung, Störungsmeldungen aller Art vom Zugpersonal etc. Trotz des Vortrages fühlten wir uns erst mal ziemlich erschlagen von der Menge an Daten und der Routine der Disponenten, die uns aber sehr freundlich und geduldig alles erklärten. Da es auf der Strecke Hanau–Fulda gerade eine Streckensperrung gab, haben wir eine Menge Störungsmanagement zu sehen bekommen. Und auch die fünf Fahrgäste aus Prag, deren Anschluss nach Kiew in Berlin gefährdet war, haben die Disponenten beschäftigt – man will natürlich die Züge nicht zu lange warten lassen, aber auch eine Hotelübernachtung nach Möglichkeit vermeiden.

Alles in allem ein sehr interessanter Blick hinter die Kulissen. Und auf dem Rückweg habe ich dann gleich die Auswirkungen der Leitstellenarbeit erlebt, als der RE nach Gemünden ab Großkrotzenburg auf dem Gegengleis fuhr, um sich „fliegend“ vom verspäteten IC überholen zu lassen.

Nebenbahnromantik

Zum 75. Geburtstag meiner Tante in Korbach habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, hin und zurück mit dem Zug zu fahren. Und damit es richtig interessant wurde, habe ich hin eine Fahrkarte über Kassel und zurück eine über Frankenberg gekauft.

Auf dem Hinweg kam also als Kontrast zur ICE-Strecke Fulda–Kassel mit ihren -zig Tunneln und Talbrücken und den menschenleeren Überholungsbahnhöfen die Strecke Kassel–Korbach, die ab Volkmarsen erst 1998 reaktiviert worden ist. Da ich die stillgelegten Gleise jahrelang vom elterlichen Auto aus betrachtet habe, hat mich die Fahrt natürlich besonders gefreut. Spannend ist vor allem die kurvenreiche Trassierung durch die recht abwechslungsreiche Landschaft. Ungesicherte gibt es auch, allerdings deutlich weniger als zwischen Münster und Warendorf, da die Strecke kaum parallel zu Straßen verläuft. Davon abgesehen sind Strecken- und Fahrzeugtechnik auf dem neuesten Stand, es fahren die Kurhessenbahn mit GTW 2/6 (BR 646) und die Regiotram mit Hybridfahrzeugen (BR 689).
Die Fahrt endete in Korbach Süd direkt bei meiner Tante um die Ecke. Seit der Stilllegung der Strecken Korbach–Bad Wildungen und Korbach Süd–Herzhausen wirkt dieser Hp reichlich verwunschen, wird aber trotzdem stündlich angefahren.

Die Rückfahrt begann mit einem Bus nach Frankenberg. Die Besetzung dieser Fahrt (ich war größtenteils der einzige Fahrgast) liefert kein Argument für die Reaktivierung der Bahn, wohl aber die Linienführung der Busse. Die fahren nämlich über die ausgebaute B 252 und machen nur Stichfahrten in die Ortschaften, die also mit den Bahnhöfen sicher nicht schlechter erreicht werden. Ab Frankenberg herrscht dann mit einem 628 noch größere Nebenbahnromantik als auf der Hinfahrt, da Strecke und Bahnhöfe weit weniger gut in Schuss sind als zwischen Kassel und Korbach.
Ab Marburg eine kurze Episode mit dem IC: Leider hat er fünf Minuten Verspätung, was genau meiner Übergangszeit in Friedberg entspricht. Natürlich gibt es die sonst gewohnten Ansagen im Zug ausgerechnet diesmal nur sehr spärlich: Gießen wird überhaupt nicht angesagt, und in Friedberg fehlt der Hinweis darauf, welche Anschlusszüge erreicht werden. Dass mein Zug wartet, erfahre ich also erst auf dem Bahnsteig.
Für den Abschnitt Friedberg–Hanau hatte ich eigentlich damit gerechnet, dass er ebenfalls zur Überschrift passt. Aber obwohl die Strecke mit GTW 2/6 der HLB bedient wird (und am Wochenende sogar der Betrieb ruht), ist sie eine zweigleisige, elektrifizierte Hauptbahn, die hauptsächlich eine Ostumgehung Frankfurts für Güterzüge darstellt. Übrigens erreichen wir Hanau trotz der verspäteten Abfahrt pünktlich (allerdings dauert die Fahrt an Samstagen planmäßig sowieso vier Minuten weniger, so dass vermutlich ein Puffer im Fahrplan ist).

Alles in allem also ein Wochenende, das sich auch aus bahntechnischer Hinsicht gelohnt hat. Und für die A-bis-Z-Liste gibt es gleich drei neue Einträge:

Kassel-Wilhelmshöhe–Korbach Süd RE
Frankenberg–Marburg RB
Friedberg–Hanau HLB

Kurz- und langfristige Entwicklung im Angebot der DB Fernverkehr

Diesen Titel trug der erste Teil eines Vortrags der DB für das Junge Forum der DVWG (Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft), den ich mir am Donnerstag – obwohl kein DVWG-Mitglied – in der DB-Zentrale in Frankfurt angehört habe. Im Einzelnen ging es um die Entwicklung des DB-Fernverkehrs bis 2020. Allzu viel Neues habe ich dabei nicht erfahren, denn es ging vorwiegend um Neu- und Ausbaustrecken, deren Bau schon ebenso lange geplant wie umstritten ist – Beispiele sind Stuttgart 21 oder die NBS Rhein-Main–Rhein-Neckar. Letztere wird allgemein als wichtiger Lückenschluss zwischen den NBS Köln–Rhein-Main und Mannheim–Stuttgart gesehen, weswegen hier nach der Fertigstellung auch eine enorme Zunahme der Nachfrage angenommen wird.

Aber auch auf die kurzfristigen Planungen zum Fahrplan 2007/08 ging die Referentin Frau Warnecke ein, wie z.B. auf den ICE-T-Einsatz nach Österreich. Das Einzige, was hier für mich neu (und überraschend) war, ist der geplante Einsatz von ICE-TD-Zügen über die Vogelfluglinie. Dank des billigen dänischen Diesels sollen die eigentlich von der DB extrem ungeliebten Züge ab dem nächsten Jahr hier eine Renaissance erleben.

Die Diskussion nach dem Vortrag war ein herrliches Beispiel für die Verwobenheit von Verkehrs- und Regional- bzw. Lokalpolitik. Offensichtlich waren einige (ehemalige) Funktionsträger – mehr oder weniger privat – anwesend, die gleich die Frage aufbrachten, ob der Frankfurter Hbf denn in den Planungen abgehängt werde? Die klare – und logische – Antwort der DB: Wenn, wie von der Stadt Frankfurt wohl zu Recht angegeben, tatsächlich ein deutliches Fahrgastpotenzial am Hbf vorhanden ist, dann kann es sich die DB auch nicht leisten, dort vorbeizufahren. Dies schließt natürlich nicht aus, dass Züge, die durch wachsende Nachfrage zukünftig neu eingeführt werden, den Hbf aus Gründen des Betriebsablaufs und des Marketings nicht anfahren (ebenso übrigens auch die Argumentation für Mannheim). Der Alternativvorschlag der Stadt, statt des Hbfs den Ostbahnhof anzufahren, ist für die DB erst interessant, wenn dort auch durch mehr Bebauung oder bessere ÖPNV-Anbindung ein Fahrgastpotenzial entsteht – auf „blauen Dunst“ wird DB Fernverkehr als eigenwirtschaftliches Unternehmen den Ostbahnhof sicher nicht anfahren. Interessanterweise trat die für mich – und einige andere Teilnehmer – naheliegende Lösung, mehr Züge über den Südbahnhof zu leiten, bei der Diskussion völlig in den Hintergrund. Diese musste aber sowieso stark verkürzt werden, um noch Zeit für den zweiten Teil des Vortrags zu haben.