In Ewigkeit, Amrum

Und schon wieder ein Urlaub: Die letzte Woche habe ich mit ein paar Freunden auf der Nordseeinsel verbracht. Obwohl es wie für andere Inseln auch die Möglichkeit gibt, eine durchgehende Fahrkarte Zug-Schiff-Bus zu buchen, habe ich zunächst nur einen Fahrschein bis und ab Dagebüll Mole gekauft. Hintergrund: Ich hatte noch zwei Rewe-Gutscheine im Wert von je 10 Euro geschenkt bekommen, die nur für Online-Tickets einlösbar waren. Die durchgehenden Fahrscheine nach Amrum gibt es aber nur per Postversand. Wenn ich richtig recherchiert habe, kostet außerdem die getrennte Buchung auch ohne die Gutscheine ein paar Euro weniger als die durchgehende. Eine Reservierung in den Kurswagen nach Dagebüll war beim Kauf Mitte Juli nicht möglich, ich vermutete, dass bereits alle Plätze besetzt waren.

Umsteigen musste ich auf der Hinfahrt in Hanau und Kassel, mit einer um eine Stunde früheren Abfahrt hätte auch ein Umstieg nur in FF ausgereicht. Pünktlich in FKW angekommen, musste ich nur ein paar Minuten am Bahnsteig stehen bleiben und die Ankunft von IC 2190 FF–Westerland abwarten, der trotz des innerdeutschen Laufwegs von einem ÖBB-Taurus gezogen wurde. Direkt dahinter befanden sich die beiden Kurswagen nach Dagebüll Mole, die zu diesem Zeitpunkt noch gähnend leer waren. Also setzte ich mich auf den erstbesten Fensterplatz (Reservierungsanzeigen gab es leider nicht) und schlief erst einmal ein. Bei einem außerplanmäßigen Halt in Uelzen wurde ich wieder wach, entgegen meinen Befürchtungen fuhr der Zug aber nach kurzer Zeit weiter, so dass wir fast pünktlich AH erreichten, wo unser Taurus sogleich abkuppelte. Neue Zugloks waren zwei 218er, wovon ich aber nichts mitbekam, da jede Menge Familien mit Kindern den Wagen stürmten und eine davon mich von meinem Platz vertrieb. Der neue Platz eine Reihe weiter wurde zum Glück nicht beansprucht, so dass ich weiterhin – nun berieselt von der Benjamin-Blümchen-Titelmusik – im Kurswagen sitzen konnte. Zwischendurch genoss ich einen Pflaumenkuchen mit heißer Schokolade im Bordbistro, bevor wir dann pünktlich um 17.10 Uhr den Bahnhof Niebüll erreichten, der auch mit dem friesischen Namen Naibel beschildert ist. Jetzt begann der spannende Teil der Reise: Die beiden Kurswagen wurden abgekoppelt und von den Zugloks bis zum Abzweig der neg-Strecke vorgezogen. Dort übernahm sie ein neg-Triebwagen, der auf den ersten Blick wie ein 628er aussah, aber wohl keiner war, und zog sie in den neg-Bahnhof, der gegenüber dem DB-Bahnhof liegt und weiter über die Dagebüller Strecke. An den Bedarfshalten auf dem Weg wollte niemand ein- oder aussteigen, so dass wir flott Dagebüll Mole erreichten, wo rechts der Fähranleger und links nichts als offenes Meer zu sehen war. Dort war dann gerade noch genug Zeit, um am Automaten die Schiffsfahrkarte zu kaufen. Die Variante, die auch im Bus auf Amrum gilt, gibt es dort leider nicht, möglicherweise hätte sie aber der neg-Schaffner im Zug verkauft.
Zwei Stunden dauerte die Schiffsüberfahrt mit Zwischenhalt in Wyk auf Föhr, bis dann kurz vor 20 Uhr Wittdün auf Amrum erreicht war. Über die Transportkette konnte ich wahrlich nicht meckern: der Bus stand am Anleger bereit, war nur leider angesichts der vielen Anreisenden kurz vor der Überfüllung. Stehend kam ich um 20.30 Uhr an meinem Ziel Norddorf an, wo ich eine sehr entspannende Woche mit viel Sonnenschein, aber ohne ÖPNV verbrachte.

Am Samstag spulte sich das Ganze dann in umgekehrter Richtung ab: 11.30 ab Norddorf, diesmal begleitet von einem meiner Miturlauber. Der Bus war fast genau so voll, das Schiff fuhr diesmal mit einer halben Stunde Zeitersparnis direkt nach Dagebüll. Dort standen die beiden Kurswagen schon bereit, in die sich prompt deutlich mehr Fahrgäste hinein zwängten als Sitzplätze vorhanden waren. Denjenigen, die ab Niebüll reserviert hatten, musste erst einmal erklärt werden, dass ihre Platznummern sich nicht auf den Kurswagen bezogen, was einigen Unmut hervorrief. Außerdem stellte sich heraus, dass der Zeitpunkt der Reservierung nicht unbedingt etwas darüber aussagte, ob man auch einen Platz bekam (siehe hierzu auch die → Reservierungsinformationen von der neg). Zum Glück fanden wir noch Plätze, die erst ab AH reserviert waren und konnten daher sitzen. Eine Alternative, auch für die stehenden Fahrgäste, wäre die Mitfahrt im Triebwagen mit Umstieg in Niebüll gewesen, allerdings gab es beim Einstieg kein Personal, das darauf hinwies.
Niebüll erreichten wir nach verspäteter Abfahrt (Grund unbekannt) und Kreuzungsaufenthalt in Blocksberg mit etwa +15. Diesmal setzte uns wohl der neg-Triebwagen ans hintere Ende des IC 2315, so dass die Zugloks an ihrem Platz bleiben konnten. Übrigens haben die Kurswagen eigene Fahrplanheftchen mit dem Zuglauf Dagebüll Mole–FF! Nachdem die stehenden Fahrgäste mit Sack und Pack in den restlichen Zug umgestiegen waren, fuhren wir mit derselben Verspätung weiter gen Süden. Der Lokwechsel (2×218 auf 101) fand diesmal in Itzehoe statt und verkürzte die Verspätung erheblich, so dass wir mit nur noch +5 AH erreichten. Das war auch gut so, denn unsere Übergangszeit auf ICE 683 betrug nur 11 Minuten. So mussten wir nur kurz am Gleis 14 stehen bleiben und die Einfahrt der Einzeltraktion ICE 2 abwarten. Innen waren die Reservierungsanzeigen (die anscheinend immer noch mit Disketten gesteuert werden) außer Betrieb, so dass wir uns, von unseren Plätzen vertrieben, erst einmal auf den Weg ins Bordrestaurant machten. Nach einer leckeren Portion Nürnberger Würstchen mit Kartoffelsalat bzw. einem Tomate-Mozzarella-Sandwich suchten wir freie Plätze und fanden sie im Kleinkindabteil, das sich durch eine Spiellandschaft gegenüber den Sitzen auszeichnet.
Statt zu spielen, verbrachten wir aber die nächsten drei Stunden mit Lesen und Unterhalten. Vor meinem Ausstiegsbahnhof Würzburg zogen wir uns noch eine leichte Verspätung durch Bauarbeiten mit Nutzung des Gegengleises zu. Da aber meine Übergangszeit locker ausreichte, verabschiedete ich mich ohne Hast von meinem Reisegefährten und ging erst einmal in die Bahnhofsbuchhandlung. Der Anschlusszug ICE 524 kam fast pünktlich aus MH, zog sich dann aber durch die schon erwähnte Baustelle +5 zu. Gegen 21.40 Uhr in NAH angekommen, brachten mich die Menschenmassen am Bahnhof darauf, dass wegen des Stadtfestes die Busse länger fuhren. Nach einer Odyssee vom Busbahnhof zum Ersatz-Busbahnhof (was man nicht im Kopf hat …) fand ich dort aber weder einen passenden Bus noch einen Aushang über die erweiterten Betriebszeiten vor – ich bin versucht, das als „typisch AB“ einzustufen, aber wahrscheinlich kann das überall passieren … Also zu Fuß zum Bahnhof zurück und mit dem Taxi nach Hause, was auch nur unwesentlich teurer war als die Busfahrt. Vielen Dank an euch, dass ihr bis hierher gelesen habt ;).

Du gamla, du fria, …

Davon, dass der Norden – wie in der → schwedischen Nationalhymne besungen – wirklich alt, frei und felsig ist, konnte ich mich zwischen dem 25. Juli und dem 4. August ausführlich überzeugen. Nach dem Vorbild meiner Schweiz-Rundfahrt 2006 bin ich insgesamt zehn Tage lang durch Schweden, Finnland und Norwegen getourt. Alle Fotos und einen ausführlichen Reisebericht gibt es später, hier erst mal die Höhepunkte der Reise in Kurzform:

  • Los ging es mit dem Nachtzug nach Kopenhagen, wo ich prompt das einzige Mal auf der Reise den Anschluss verpasst habe: der Zug hatte 20 Minuten Verspätung, so dass der X2000 nach Stockholm gerade weg war. Auf Anraten des Schaffners bin ich weiter nach Malmö gefahren und habe dort umgebucht (der X2000 ist reservierungspflichtig). Einen freien Platz gab es erst wieder drei Stunden später, dafür aber ohne Aufpreis in der ersten Klasse.
    Kurz vor Stockholm dann die nächste Komplikation: Vor uns war die Strecke wegen eines Unfalls gesperrt, es ging nur mit Bussen weiter. Da ich den direkten Bus nach Stockholm nicht gefunden habe, fuhr ich zur nächsten S-Bahn-Station und von dort mit dem Pendeltåg weiter in die Hauptstadt.
  • Von Stockholm habe ich mit der MS Gabriella nach Helsinki abgelegt. Das hat mit Bussen und Bahnen zwar nichts zu tun, ist aber wegen der wunderschönen Schärenlandschaft trotzdem erwähnenswert.
  • Nach ausgiebigem Betrachten der finnischen Hauptstadt, unter anderem mit der Touristen-Straßenbahnlinie 3T, ging es dann weiter in Richtung Norden an der Küste des Bottnischen Meerbusens entlang – zunächst mit einem Intercity bis Oulu, dann mit einem Regionalzug bis nach Kemi. Von dort fuhr ein nicht mehr ganz taufrischer Bus nach Tornio an der Grenze zu Schweden, die ich dann zu Fuß überquert habe (die Busse fahren aber auch hier). Weiter zu meinem Etappenziel Luleå brachte mich dann wiederum ein Bus, in dem ich auf dem „Panoramaplatz“ oben ganz vorne sitzen konnte.
  • Eines der Kernstücke der Reise war am nächsten Tag die Fahrt auf der legendären Erzbahn. Leider war das Wetter an diesem Tag nicht sehr gut, so dass ich statt der beeindruckenden Landschaft vor allem tiefhängende Wolken sah. In Vassijaure kurz vor der norwegischen Grenze hatten wir aufgrund technischer Probleme einen einstündigen unfreiwilligen Aufenthalt, den ich aber immerhin dazu genutzt habe, den Zug zu fotografieren. Hinter der Grenze klarte es dann zum Glück auf, so dass ich kurz vor Narvik noch ein Bild der beeindruckenden Fjordlandschaft machen konnte. Auf der Brücke über den sonst abgeschotteten Erzbahnhof gelang es mir dann auch, einige Erzzüge abzulichten.
  • Auch bei der Weiterreise am nächsten Tag standen Fjorde im Mittelpunkt. Der Bus, den ich bis Fauske benutzt habe, überquerte einen davon sogar auf einer Fähre, und der Zug, in den ich dort umgestiegen bin, fuhr anfangs direkt an einem entlang – eine Fahrt durch die Berge im Landesinneren folgte. Bis zu meinem Tagesziel Trondheim zog sich die Strecke dann aber auch in den bequemen Sitzen des etwas nostalgischen Zuges etwas.
  • Von Trondheim führte mich meine Reise dann durch eine wieder mitteleuropäischer werdende Landschaft mit einem BM-73-Neigezug nach Oslo, das ich mir am folgenden Tag noch ein wenig anschaute, bevor ich dann – mit einer anderen Version des BM 73 – zu meiner letzten Etappe nach Göteborg aufbrach.
  • Nachdem ich auch die zweitgrößte Stadt Schwedens erkundet hatte, brach ich am späten Nachmittag zur Rückfahrt auf. Sie führte zunächst – wieder mit einem X2000 – nach Lund, wo zurzeit der Nachtzug nach Berlin beginnt. Dieser hat einige Besonderheiten: Zum einen ist er – unter Nutzung der Fähre Trelleborg–Sassnitz – der einzige direkte Zug von Deutschland nach Schweden und zurück, zum anderen ist er einer der wenigen Fernzüge, die in Deutschland unter der Regie eines privaten Bahnanbieters, in diesem Falle der Georg Verkehrsorganisation, laufen. Trotzdem wird der Zug interessanterweise von einem DB-Zub begleitet.
  • Nach der Ankunft in Berlin zur unchristlichen Zeit von 06:04 Uhr frühstückte ich mit dem netten schwedischen Pärchen, das ich im Zug kennen gelernt hatte (und dessen männliche Hälfte mich prompt in seinem → Blog verewigte) und setzte mich dann in den ICE nach Essen, von wo ich dann weiter nach Marl fuhr, wo ich noch einige Tage bei meinen Eltern verbrachte und in Erinnerungen an diese schöne Reise schwelgte.
  • Gefahren bin ich übrigens mit einem → InterRail-Ticket, das für fast alle Züge und einige Fernbusse außerhalb Deutschlands gilt. Extra bezahlen musste ich so nur die An- und Abreise in den Nachtzügen, die Reservierung für den X2000, die Busfahrt Narvik–Fauske, den städtischen ÖPNV sowie natürlich die Schiffsfahrt Stockholm–Helsinki. Übernachtet habe ich jeweils in Jugendherbergen, so dass sich die Kosten einigermaßen in Grenzen hielten. Trotzdem ergab sich für alle Fahrten und Übernachtungen (ohne Verpflegung) eine Summe von über 900 Euro, die auszugeben sich aber absolut gelohnt hat. Wenn ich euch jetzt zu einer eigenen Nordland-Tour inspiriert habe – schreibt mir, vielleicht kann ich euch noch ein paar Tipps geben!

Continuazione della storia

Letzten Dienstag war es soweit: ich trat meine im Januar gebuchte Reise aus der Toskana zurück nach Aschaffenburg an. Insgesamt war es eine sehr ruhige Fahrt, bemerkenswert war nur Folgendes:

  • Der Hochgeschwindigkeitszug (Rom–)Florenz–Bologna(–Venedig) war überfüllt, obwohl er reservierungspflichtig ist. Wahrscheinlich ist ein anderer Zug ausgefallen oder ein Anschluss ging verloren. Die Frau auf meinem reservierten Platz hat diesen jedenfalls sofort freiwillig geräumt.
  • Als ich meine Reisetasche ins Gepäckregal stellen wollte, sprach mich ein Fahrgast auf Italienisch an, was ich leider nicht verstand. Ich nehme an, er meinte, dass das Regal – wie auch im TGV – nur für Koffer gedacht ist.
  • Von meinem Fensterplatz zwischen Florenz und Bologna hatte ich herzlich wenig, weil die erst im Dezember eröffnete Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen den beiden Städten praktisch nur aus Tunneln besteht.
  • Die Eurocitys zwischen München und Italien laufen seit Dezember 2009 ohne jede Beteiligung von Trenitalia. Das treibt einige kuriose Blüten, nämlich die, dass der Zug auf den Fahrplanheftchen und auf den Bahnhofsanzeigen in Österreich und Deutschland stets als „DB-ÖBB-EuroCity“ bezeichnet wird, in Italien dagegen als Zug der Privatbahn Ferrovie Nord Milano (LeNord). Das ist auch der Grund, warum meine Sitznachbarin am Bahnhof in Bologna keinen Fahrschein für den Zug kaufen konnte. Im Zug ist das auch nur mit Bargeld oder Kreditkarte möglich, EC-Karten werden nicht akzeptiert.
  • Am Brenner hielt der Zug, ohne dass das im Fahrplan verzeichnet war. Es handelt sich um einen reinen Systemhalt, bei dem offensichtlich Personal gewechselt und die Lok von 3 kV = auf 15 kV ~ umgeschaltet wird. Einen Lokwechsel gibt es jedoch, wenn ich es richtig beobachtet habe, nur in Verona, wo der Zug auch Kopf macht.
  • Eine nennenswerte Verspätung gab es mit etwa 10 Minuten nur bei der Ankunft in Bologna, den Rest der über zwölfstündigen Reise legte ich nahezu völlig pünktlich zurück.
  • Zwischen MH und NAH hatte ich einen Einzelsitz im Großraumwagen, nämlich dort, wo der Gang nach rechts schwenkt, um Platz für die Abteile zu machen, die es im ICE 3 in einigen Wagen gibt. So habe ich gleichzeitig am Gang und am Fenster gesessen (und hatte keinen Sitznachbarn, den der Geruch meines Essens, das ich mir in München bei „Wok’n‘walk“ geholt hatte, hätte stören können).

La storia infinita

Auch im neuen Jahr will ich fleißig mit dem Zug verreisen: zum Beispiel in der Osterwoche aus der Toskana zurück nach Aschaffenburg (hin fahre ich mit meinen Eltern und meiner Tante im Auto). Dadurch öffnete sich ein weiteres Kapitel der unendlichen Geschichte „internationaler Fahrkartenkauf“: Die DB verkauft ja das „Europa-Spezial Italien“, das allerdings nur dann gilt, wenn innerhalb Italiens nicht umgestiegen wird. Ohne Umsteigen kommt man aber nicht von hinter Florenz bis zur österreichischen Grenze, so dass ich den Fahrschein auf bahn.de erst ab Bologna kaufen konnte.
Für die restliche Strecke verwies man dort auf einen „unbekannten Auslandstarif“, und auch der Computer im Reisezentrum streckte die Waffen. Nun lag es nahe, bei trenitalia.it zu buchen – dort gibt es folgende Möglichkeiten, den Fahrschein zu bekommen: Online-Ticket (nur für Fernzüge), Abholung am Automaten (nur an größeren Bahnhöfen) und Postversand (nur in Italien). Da mein Einstiegsbahnhof ein kleinerer ist und ich in Italien niemanden kenne, blieb mir nichts anderes übrig, als nur ein Online-Ticket für den Fernzugabschnitt Florenz–Bologna zu buchen. Aber auch das scheiterte – nach erfolgreicher Anmeldung – daran, dass meine Kreditkarte aus unbekannten Gründen nicht akzeptiert wurde.
Ich war schon fast davon überzeugt, die Fahrkarte erst am Reisetag kaufen zu können (mit dem Risiko, dass der „Frecciargento“ dann ausgebucht ist), probierte als letzte Idee aber noch die Buchung auf SNCF.fr. Von dort wurde ich auf das wohlbekannte TGV-europe.com weitergeleitet, das mir tatsächlich eine Fahrkarte für diesen Abschnitt verkaufen konnte – sogar zum ermäßigten, aber dafür nicht frei umtauschbaren Preis. Nun fehlt nur noch der Nahverkehrsabschnitt bis Florenz, aber hier sollte es kein Problem sein, die Karte am Reisetag am Automaten zu kaufen. Etwas weniger umständlich hatte ich es mir zwar schon vorgestellt, aber: Eine von Deutschland aus gekaufte französische Fahrkarte für einen italienischen Zug – wenn das mal kein Zeichen für die europäische Einigung ist!

Wettbewerb im Fernverkehr – kommt er bald?

Interessante Meldungen gingen dieser Tage durch die Presse: Zum einen will die französische Staatsbahn SNCF über ihre Tochter Keolis (die in Deutschland unter der Marke Eurobahn fährt) in den deutschen Fernverkehrsmarkt einsteigen. Ab 2011 sollen die Strecken Frankfurt–Hamburg und Frankfurt–Berlin mit 20 „gebrauchten Zügen“ (wahrscheinlich Corail-Wagen) bedient werden. Weitere Infos dazu gibt es bisher nicht.

Wesentlich konkreter sind da andere Pläne: Ab August 2010 hat das bisher unbekannte Unternehmen Locomore Fahrplantrassen für die Strecke Köln-Hamburg gebucht. Der genaue Fahrplan kann noch bis Montag beim → Lok-Report abgerufen werden. Es handelt sich um drei Fahrten pro Tag montags bis donnerstags. Am Wochenende gelten abweichende Fahrzeiten. Die Fahrten sind „fast“ vertaktet, d.h. die Minuten der einzelnen Fahrten weichen nur geringfügig voneinander ab. Mit einer Fahrzeit von etwa 4 Stunden und 10 Minuten sind die Züge nur unwesentlich langsamer als die ICs der DB auf dieser Strecke. Auffällig ist allerdings, dass statt Bremen der kleine Bahnhof Sagehorn bedient wird, an dem es aber direkte Anschlüsse von und in die Hansestadt gibt.

Wird das neue Angebot Erfolg haben? Darüber wird natürlich in den einschlägigen Foren und → Newsgroups jetzt schon heiß diskutiert. Knackpunkte werden – wie schon von Prof. Aberle prophezeit – vor allem der Tarif und die Anschlussmöglichkeiten sein. Die wenigsten Fahrgäste wollen genau von Köln Hbf nach Sagehorn oder von Gelsenkirchen Hbf nach Hamburg Hbf fahren, also schauen wir uns die Anschlüsse einmal an: Die Locomore-Züge fahren durchgehend etwa eine halbe Stunde versetzt zu den DB-Fernzügen. Wenn wir annehmen, dass die Nahverkehrszüge auf letztere abgestimmt sind, gibt die Fahrplanlage der neuen Züge überall dort gute Anschlüsse, wo der Nahverkehr im Halbstundentakt oder öfter fährt, wie es im Ruhrgebiet und in Hamburg meistens der Fall ist. Und auch in Osnabrück werden innerhalb einer halben Stunde Anschlusszüge in alle Himmelsrichtungen erreicht (Richtung Bremen allerdings nur über Delmenhorst). Die Fahrplanlage bietet also hier einiges Potenzial, bliebe als wunder Punkt der Tarif: Wenn für eine Strecke Marl-Sinsen–Hamburg-Rahlstedt drei Fahrscheine gekauft werden müssen, die wegen der Degression des DB-Tarifs (und der Nicht-Anerkennung der Bahncard) womöglich mehr kosten als ein durchgehender, wird das natürlich zu Lasten des neuen Angebots gehen. Ebenso fällt die Flexibilität weg, jeden Zug benutzen zu können, die man zumindest mit dem Normalpreis der DB hat. Man darf also gespannt sein, wie der Tarif (über den noch nichts bekannt ist) der neuen Züge letztendlich aussieht, denn er wird eine entscheidende Rolle im Kampf um deren Erfolg spielen.

Streckenkunde

Als regelmäßiger Bahnfahrer bin ich ja schon einiges herumgekommen, allein schon durch das Pendeln zur Uni Dortmund entspricht es mindestens einmal der Entfernung um die Erde. Daher war ich neugierig, wie die Strecken in Deutschland, die ich schon befahren habe, auf einer Karte aussehen. Also habe ich mir aus dem Netz eine Karte mit freundlicher Genehmigung „geklaut“ – nämlich bei → Trainspotting, wo es sehr gut gemachte digitale Eisenbahnkarten gibt. Die Strecken, auf denen ich schon unterwegs war, habe ich schwarz markiert, und das ist dabei herausgekommen (Karte öffnet in neuem Fenster).
Die meisten schwarzen Strecken gibt es natürlich in der Umgebung meiner Wohnorte Marl und Aschaffenburg. Im Ruhrgebiet und Rhein-Main-Gebiet kenne ich bis auf einige S-Bahn-Endstücke alles. Ganz dünn sieht es dagegen im Osten aus: Bis auf zwei Strecken nach Berlin und drei nach Leipzig sind die neuen Bundesländer „terra incognita“, ein Zustand, den ich durchaus gerne ändern möchte. Im Rest von Deutschland kenne ich meistens nur die Hauptstrecken, womit ich sicher eine Menge verpasst habe. Aber es ergeben sich selten Gelegenheiten, weiter entfernte Nebenstrecken zu fahren, und ich setze mich dann doch nicht einen ganzen Tag in den Zug, nur um eine bestimmte Strecke zu fahren.
Dank Umleitungen habe ich übrigens auch einige Strecken kennen gelernt, die sonst nur von Güterzügen befahren werden, wie Gelsenkirchen-Buer Nord–Recklinghausen Hbf oder Buchholz (Nordheide)–Maschen. Einiger dieser Strecken, wie Düsseldorf Hbf–Duisburg-Wedau oder die rechte Rheinstrecke zwischen Koblenz und Mainz habe ich nicht schwarz markiert, da es bei diesen Umleitungen dunkel war.
Bei Gelegenheit werde ich sicher eine aktualisierte Version der Karte präsentieren, aber bis dahin liegen wohl noch einige Bahnkilometer vor mir …

(K)Alte Heimat

Von Dienstag bis Sonntag letzter Woche war ich zum zweiten Mal in diesem Jahr in Polen, genauer gesagt in Danzig. Diesmal war ich nicht alleine und mit dem Flugzeug unterwegs, sondern fuhr gemeinsam mit meinem Vater die ganze Strecke mit dem Zug.

Die erste Etappe führte uns mit dem Nachtzug von Dortmund nach Posen. Meine erste Schlafwagenfahrt war relativ unaufregend, und ich konnte dank Ohropax sogar trotz des schnarchenden dritten Passagiers in unserem Abteil recht gut schlafen. Fast pünktlich in Posen angekommen, vertrieben wir uns die Wartezeit im mit „Chill-out-Zone“ beschrifteten Warteraum. 50 Minuten sollte es eigentlich dauern, allerdings wurden für unseren Zug bald 15 Minuten Verspätung angezeigt, die dann auf 40 stiegen. Wir vermuteten den auf allen Fernsehbildschirmen (aber nicht in Posen selbst) zu sehenden Wintereinbruch als Ursache, aber ein des Polnischen mächtiger deutscher Fahrgast klärte uns auf, dass ein Unfall auf der Strecke aus Breslau, wo der Zug herkam, die Ursache war.
Letztendlich fuhr der Zug mit ca. +50 ein, und wir mussten aufpassen, in den richtigen Zugteil zu kommen: der hintere fuhr nämlich nach Stettin weiter, während der vordere unser Zug nach Danzig war. Bald ging die nicht allzu schnelle Reise los: Bei einer planmäßigen Fahrzeit von 5 Stunden und 38 Minuten für 313 km lag die Geschwindigkeit nie über 120 km/h, auf einem recht langen Streckenabschnitt sogar nur um die 50. Trotzdem machte der Zug die Verspätung teilweise wieder wett und kam mit nur noch +15 in Danzig an, wo uns nicht nur winterliche Temperaturen, Regen und Sturm, sondern auch eine verwirrende Vielfalt von Buslinien und -haltestellen begrüßte. Eine Linienübersicht oder englischsprachiges Personal gab es nicht, so dass wir erst nach dem Kauf eines Stadtplans und einigem Suchen entlang der Straße vor dem Bahnhof herausfanden, welche Linien uns zum Hotel brachten.

Die drei Tage in Danzig brachten außer besserem, weiterhin kaltem Wetter auch einige interessante ÖPNV-Erfahrungen: zum Beispiel die SKM, einen S-Bahn-artigen Zug, der Danzig, Zoppot und Gdingen sowie die Umgebung dieser „Dreistadt“ miteinander verbindet. Außerdem machten wir einen Ausflug nach Soldau (Działdowo), der Kleinstadt in Masuren, aus der meine Großeltern stammten. Da Soldau Haltebahnhof der (reservierungspflichtigen) Expresszüge zwischen Danzig und Warschau ist, ist es sehr leicht mit dem Zug zu erreichen.
Interessant fand ich übrigens, dass in Polen nicht die Gleis-, sondern die Bahnsteignummern auf den Abfahrtsplänen angegeben sind und letztere nicht viel mit ersteren zu tun haben. In Danzig zum Beispiel befinden sich an Bahnsteig (peron) 2 die Gleise (tor) 1 und 2, an Bahnsteig 1 dagegen die Gleise 6 und 8 (im → ICE-Treff mehr zu der Logik). Welches der beiden Gleise am Bahnsteig nun das richtige ist, sieht man entweder an der Anzeige oder bei der Einfahrt des Zuges.

Am Samstag Nachmittag war dann die Rückfahrt angesagt: Wieder setzten wir uns in ein Abteil (Großraumwagen sind in Polen im Fernverkehr unbekannt). Im Gegensatz zu den Expresszügen hatte unser Zug, der als Pospieszny (Schnellzug) lief, Achter-Abteile, die aber nicht reservierbar und zum Glück nie voll besetzt waren. Diesmal dauerte die Fahrt laut Plan nur 4:36 Stunden, und wie auch bei den Fahrten nach und von Soldau konnte der Zug die leichte Verspätung, die er bei der Abfahrt hatte, bis zu unserem Zielbahnhof ausgleichen.

Nach etwas über einstündigem Warten in Posen gab es dann noch einen kleinen Schock in der Abendstunde: Unser Schlafwagen hatte die Nummer 180, also stiegen wir in den unnummerierten Wagen neben der 179 ein. Dort war allerdings alles verschlossen. Eine Nachfrage beim Schaffner ergab, dass dieser Wagen „kaputt“ sei und ein Sitzwagen als Ersatz diene. Die Aussicht auf eine Nacht im Sitzen führte zu einer weiteren Nachfrage beim Schaffner, die ergab, dass der kaputte Wagen ein Liegewagen war – der Schlafwagen befand sich in hervorragendem Zustand und korrekt nummeriert daneben.

Also konnten wir uns wie geplant zur Ruhe betten – und verpassten dadurch in Hannover eine bahntechnische Meisterleistung: Der Zug fährt ab Warschau mit drei Zugteilen nach Amsterdam, Basel und München und kommt in Amsterdam mit drei Zugteilen aus Warschau, Kopenhagen und Prag an. Dreh- und Angelpunkt für die Neuzusammenstellung der Züge ist Hannover, wo jede Nacht ein beträchtlicher Rangieraufwand stattfinden muss, den ich aber – wie die meisten Fahrgäste – selig schlafend erlebt habe. Laut Fahrkarte hätten wir schon zwei Stunden später, nämlich um 4.50 Uhr in Dortmund, aussteigen müssen – wir konnten die Schaffnerin aber davon überzeugen, uns bis Duisburg schlafen zu lassen. Diese scheinbar kurze Entfernung bringt eine über zwei Stunden längere Schlafzeit, da der Zug zwischen EDO und EDG einen Umweg über Wuppertal und Köln fährt. In KK macht er nicht etwa Kopf, sondern fährt (vermutlich) über die Südbrücke und dann über Gütergleise zur Düsseldorfer Strecke. Nach einem dreiviertelstündigen Aufenthalt in Duisburg war dann das Abenteuer Polen-Reise um 8.35 Uhr in ERE beendet.

Ein kleines Abenteuer ergab sich für mich noch auf der Rückfahrt nach NAH nach einer Verschnaufpause in Marl und dem Treffen mit einer Freundin in Köln: Der ICE in KK stand nicht auf Gleis 4 bereit, sondern auf Gleis 6. Dort angekommen, standen die potenziellen Fahrgäste vor einem leeren und verschlossenen Zug, bis eine Ansage kam, dass dieser Zugteil genau das bleiben würde und wir bitte in den anderen Zugteil einsteigen sollten. Dieser war erstaunlich leer, so dass ich am Anfang sogar die Lounge für mich alleine hatte, und mit etwa +10 ging es dann wiederum über die Südbrücke (was nur an diesem Tag planmäßig war). Die Verspätung blieb ebenso wie der „Geister“-Zugteil bis NAH erhalten, sonst gab es aber keine weiteren Komplikationen, so dass ich gegen 21.45 Uhr müde ins Taxi sinken konnte.

Für die Statistik: Die Länge der Hinfahrt ergab einen neuen Rekord; wenn ich die Anreise aus Aschaffenburg mitrechne, liegt er bei 21 Stunden und 15 Minuten. Und für die A-bis-Z-Liste gibt es ebenfalls einen neuen Eintrag:

Gdańsk Główny–Gdynia Główny SKM

Wettbewerb im Fernverkehr

Warum gibt es in Deutschland eigentlich kaum Fernverkehr auf der Schiene, der nicht von der Deutschen Bahn betrieben wird? Diese Frage wird mir als Eisenbahnfreund immer wieder gestellt, und auch mit bahninteressierten Freunden habe ich sie schon diskutiert. Es liegt jedenfalls nicht etwa daran, dass die DB ein Monopol im juristischen Sinne hätte. Seit der Bahnreform 1994 kann jedes Unternehmen, das die notwendige Anerkennung als Eisenbahnverkehrsunternehmen hat, Fernzüge fahren lassen. Allerdings muss das – wie bei der DB auch – eigenwirtschaftlich passieren, d.h., es gibt keine staatlichen Subventionen, sondern die Einnahmen dürfen nur aus dem Fahrkartenverkauf stammen.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Professor Aberle, eine Koryphäe der Verkehrswissenschaft, fasst in einem Kommentar* einige Gründe für den schwachen Wettbewerb im SPFV zusammen:

  • Die notwendigen Fahrzeuge sind teurer als im Nahverkehr: Lok und Wagen, die 200 km/h fahren können, sind teurer als ein Dieseltriebwagen mit einer Spitzengeschwindigkeit von 80 km/h. Außerdem gibt es keine Subventionen für die Fahrzeugbeschaffung, und die DB verschrottet alte Fernverkehrsfahrzeuge lieber, als sie an Wettbewerber zu verkaufen. Ähnlich sieht es bei den notwendigen Werkstätten aus.
  • Mit der BahnCard hat die DB ein sehr wirksames Kundenbindungssystem, von dem Wettbewerber nicht profitieren können. Selbst wenn sie die BahnCard aus Marketinggründen anerkennen, bekommen sie keinerlei Vergütung dafür von der DB oder öffentlichen Stellen. Auf den DB-Konkurrenten InterConnex wurde von DB und Land Mecklenburg-Vorpommern sogar Druck gegen eine Anerkennung der BahnCard ausgeübt (so schreibt es jedenfalls die → Wikipedia).
  • Es ist sehr schwierig, passende so genannte Fahrplantrassen (das Pendant zu Slots im Luftverkehr) zu bekommen. Auf vielen Strecken gibt es nur eine Möglichkeit pro Stunde, einen schnellen Zug fahren zu lassen, und diese ist oft bereits von der DB belegt. Gibt es noch weitere schnelle Trassen, liegen sie oft so, dass es an den Knotenpunkten keine guten Umsteigeverbindungen gibt – da die wenigsten potenziellen Fahrgäste an den Hauptbahnhöfen wohnen, würde der Zug am Fahrgastpotenzial vorbei fahren.
  • Dort, wo es keine Fernverkehrszüge (mehr) gibt, sind oder waren sie meistens für die DB nicht wirtschaftlich. Wegen der Markteintrittsbarrieren (siehe oben) ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich der Betrieb für einen Wettbewerber erst recht nicht lohnt. Eine der wenigen Ausnahmen ist der → InterConnex zwischen Rostock und Leipzig, der einmal täglich zu deutlich niedrigeren Preisen als die DB fährt.

Diese Lage auf dem Fernverkehrsmarkt hat schon zu Forderungen geführt, ähnlich wie im Nahverkehr auch den Fernverkehr zu subventionieren. In seinem Kommentar erteilt Aberle dem eine klare Absage („abstruser Vorschlag“). Ich selber bin da etwas hin- und hergerissen, bin aber der Meinung, dass die DB durch ihre vom Staat „geerbten“ Fernverkehrszüge einen klaren Wettbewerbsvorteil hat. Und Politiker, die sich über einen weggefallenen Intercity-Halt in ihrer Stadt aufregen, sollten so konsequent sein, für dessen Erhalt auch etwas springen zu lassen. Andererseits können halbleere Fernzüge weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll sein. Die Wahrheit liegt also – wie so oft – irgendwo in der Mitte.

* Aberle, Gerd: ICE-Verkehr vom Steuerzahler zu finanzieren?, in: Internationales Verkehrswesen 9/2009

Fernbus ja oder nein?

Wie ja vielleicht einige Leser wissen, gibt es in Deutschland – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – kein nennenswertes nationales Fernbusnetz. Das liegt daran, dass Fernbuslinien in der Regel nur genehmigt werden dürfen, wenn es keine parallele Bahnverbindung gibt, und die ist in Deutschland meistens vorhanden. Sinn der Sache ist es, die Eisenbahn vor Konkurrenz durch den Bus zu schützen. Als Eisenbahn- und Umweltfreund hatte ich dagegen bisher nicht viel einzuwenden, aber in einem Artikel* der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ stellt sich die Situation jetzt anders dar.
Die Autoren der dazu gehörigen Studie haben untersucht, wie der Fernverkehrsmarkt über alle Verkehrsträger in Deutschland aussähe, wenn es ein Fernbusnetz gäbe. Dabei werden die beiden Optionen niedrige und hohe Netzdichte betrachtet. Als Referenzen dienen unter anderem die Erfahrungen mit Fernbussen in anderen Ländern (Großbritannien, Schweden, USA) sowie eine Umfrage, die die Präferenzen der Nutzer zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln (Auto als Fahrer, Auto als Beifahrer, Flugzeug, Bus, Zug) ermittelt.
Überraschendes Ergebnis: Der Markt für den Bus würde sich vorwiegend aus jetzigen Autonutzern rekrutieren. In einem Szenario hoher Netzdichte läge der Marktanteil des Busses bei 27,7%, während 19,4% der Reisenden Zug fahren würden. Im aktuellen Modal Split hat der Eisenbahnverkehr einen Anteil von 18%, so dass es keine Verdrängung gäbe. Das liegt vermutlich daran, dass der Bus Marktanteile vor allem unter preissensiblen Kunden gewinnen würde, die sich eine Bahnfahrt momentan überhaupt nicht leisten können oder wollen.
Auch aus Umweltsicht schneidet der Bus gut ab: die so genannten externen Kosten, die neben den Umweltschäden z.B. auch die Kosten für Lärm und Unfälle enthalten, liegen bei einem zu 44% besetzten Bus auf gleicher Höhe wie bei der Bahn, bei höherer Besetzung noch darunter.
Die Erfahrungen aus den anderen Ländern zeigen auch, dass sich mit Fernbuslinien eine Menge Geld verdienen lässt. Über den Wettbewerb mit der Bahn liefert der Artikel einige Beispiele aus Schweden: Hier gab es zwar einige Angebotsreduzierungen auf der Schiene, die dann aber durch ein verbessertes Busangebot ausgeglichen wurden. Auf anderen Strecken, auf denen die Konkurrenz durch den Bus groß ist, hat die Bahn ihre Preise gesenkt, um mithalten zu können.

Fazit: Die Einführung eines Fernbusnetzes in Deutschland hätte aus Sicht eines Eisenbahnfreundes nicht immer erfreuliche Folgen, verkehrs- und sogar umweltpolitisch wäre sie allerdings offensichtlich zu empfehlen.

*Walter, M. et AL.: Potenzial des Fernlinienbusverkehrs in Deutschland. Chancen für Umwelt, Mobilität und Wettbewerb, in: Internationales Verkehrswesen 4/2009

Blick in die Vergangenheit

Wie zwei Beiträge weiter unten schon angedeutet, habe ich mir am Sonntag im DB-Museum das Kursbuch Westfalen-Ruhr vom Winter 1981/82 gekauft und mich auf der Rückfahrt auf die spannende Reise in die Vergangenheit der nordrhein-westfälischen Bahn gemacht. Hier das Interessanteste am Bahn- und Busverkehr von 1981:

  • Im Fernverkehr fuhren die Intercitys im wesentlichen nicht nur auf den gleichen Linien wie heute durch das Kursbuchgebiet, sondern auch in der gleichen Zeitlage: Kurz nach der vollen Stunde in Münster ab, eine halbe Stunde später in Dortmund mit dem Ruhr/Wupper-Korrespondenzanschluss etc. Außer den ICs, die damals noch relativ neu waren (seit 1971 in der ersten, seit 1979 auch in der zweiten Klasse), waren noch jede Menge unvertaktete D-Züge unterwegs, unter anderem auch mehrmals täglich in die DDR. Vereinzelt gab es auch noch die erstklassigen TEE-Züge, dafür aber noch keinen Eurocity. Stattdessen fuhren ICs ins Ausland, z.B. nach Amsterdam und Paris.
  • Neben den D-Zügen gab es auch noch die so genannten Heckeneilzüge, die einmal am Tag auf Nebenstrecken und mit vielen Halten größere Städte verbanden. Auf der KBS 300 Köln–Duisburg–Hamm finden sich z.B. die Laufwege Koblenz–Wilhelmshaven, Koblenz–Dortmund, Kleve–Oberhausen, Aachen–Bremen–Cuxhaven, Köln–Amsterdam und Mönchengladbach–Oberhausen, um nur die Eilzüge einer Doppelseite zu nennen.
  • Im Nahverkehr war im Gegensatz zum IC-Netz Taktverkehr noch weitgehend unbekannt – so sehr, dass die wenigen Strecken mit „Nahverkehr im Takt“ im Linienplan besonders gekennzeichnet waren. Auf den anderen Strecken fuhren die Züge so, wie es Nachfrage, Streckenbelegung und Umlaufplan erlaubten. Für Bösensell an der Strecke Münster–Essen, das heute im Halbstundentakt bedient wird, bedeutete das z.B. werktags keinen Zug zwischen 6.45 und 9.26 Uhr. Dann fuhren bis 12.28 Uhr wieder alle Züge durch, erst am Nachmittag gab es fast stündlich eine Verbindung. Der letzte Zug fuhr um 0.09 – allerdings nur an Werktagen nach Sonn- und Feiertagen …
  • Auf vielen Strecken, die heute längst vergessen sind, fuhr zumindest noch der so genannte Gesetzeszug – ein oder zwei Zugpaare am Tag, zu deren Betrieb die Deutsche Bundesbahn verpflichtet war. Meistens fuhr morgens ein Zug hin und nachmittags zurück (wie z.B. auf der Strecke Duisburg-Wedau–Düsseldorf). Es gab aber auch die Variante, dass es in beide Richtungen nur morgens Züge gab, wie zwischen Oberhausen und Duisburg-Walsum. Wenn man annimmt, dass die meisten Fahrgäste, die morgens hin fahren, nachmittags zurück fahren wollen, mag dieses Betriebskonzept zwar umlauftechnisch sinnvoll, aber nicht nachfrageorientiert sein.
  • Auch die Wochenendruhe gehört zum Glück inzwischen weitgehend der Vergangenheit an, war damals aber noch auf vielen Nebenstrecken die Regel. In ländlichen Gebieten – etwa zwischen Münster und Coesfeld – gab es auch die Variante einer Betriebsruhe von Samstagmittag bis Sonntagmittag. Beides gab es auch noch zu Beginn meiner „aktiven Kursbuchlesezeit“ bis zur Einführung des ITF.
  • Das S-Bahn-Netz bestand 1981 nur aus den Linien S1 Düsseldorf–Bochum, S3 (ohne Hattingen Mitte), S6 Essen–Langenfeld und S7. Interessanterweise fuhren die meisten dieser Linien schon in einer Zeitlage, die bis zur Einführung des ITF 1998 bestehen blieb und die mir also auch noch in guter Erinnerung ist. Einige andere der heutigen Linien wurden schon im Vorlaufbetrieb befahren (im oben erwähnten „Nahverkehr im Takt“, z.B. die Vorläufer der S4 und der S9 Bottrop–Wuppertal). Sowohl bei der S-Bahn als auch beim Vorlaufbetrieb gab es oft Abweichungen vom Takt. Extremes Beispiel ist die S1 zwischen Düsseldorf und Duisburg-Großenbaum, bei der der Takt nur eine grobe Richtschnur für die tatsächlichen Abfahrtszeiten darstellt. Der Grund ist wohl die Mitbenutzung der Ortsgleise mit unvertakteten anderen Zügen.
  • Vor 27 Jahren gab es auch noch wesentlich mehr Bahnbuslinien als heute. Die KBS 3383 (VRR-Linie 189) zum Beispiel fuhr von Velbert über Essen nach Gladbeck. Von dort gab es zwei Äste nach Dorsten (im Stundentakt) und über Gelsenkirchen-Buer und Marl nach Haltern (im Stunden- bis Zweistundentakt). Bemerkenswert ist die Fahrzeit von 18 Minuten zwischen Buer Rathaus und Marl Mitte, die mit dem heutigen Verkehrsaufkommen nicht mehr machbar wäre – der heutige 222 braucht bei hoher Verspätungsanfälligkeit 26 Minuten. Die alte 189 gehört zu den Linien, von denen noch am meisten geblieben ist: bis auf den AST Gladbeck–Haltern fahren auf allen Streckenabschnitten noch heute Linien der DB-Tochter BVR. Ein Beispiel für eine Linie, von der überhaupt nichts mehr übrig ist, ist die 3300 (VRR 591) Hagen–Hattingen–Gelsenkirchen–Dorsten–Borken–Südlohn-Oeding mit zweieinhalb Fahrtenpaaren pro Tag und einer Gesamtfahrzeit von über vier Stunden pro Richtung. Absolut kurios sind die beiden Linien, die jeweils mit einem Fahrtenpaar pro Tag Ruhrgebiet und Westerwald verbanden: Die Verkehrsbedeutung der Linien Essen–Bad Marienberg und Hattingen–Weilburg versinkt im Dunkel der Geschichte.
  • Gedruckt sind die Fahrplantabellen in einem altmodisch wirkenden Satz (handgesetzt?). Nur die Fahrpläne der Linien S1 und S3 sowie einiger „Nahverkehr-im-Takt“-Linien sind in moderner Schrift ähnlich der heutigen gesetzt (vielleicht wurden da schon Computer eingesetzt?).

Soweit mein Streifzug durch die Bahnlandschaft am Ende meines zweiten Lebensjahrs. Wenn jemand von euch ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat, kennt er vielleicht einiges noch aus eigener Erinnerung und kann noch ein paar Ergänzungen liefern? Die Kommentarfunktion freut sich auf eure Beiträge.