Nein, ich bin nicht mitten im Hochsommer unter die Wintersportler gegangen. Vielmehr habe ich mal wieder einen Weg gefunden, meine beiden Hobbys Sprachen und Bahn zu kombinieren: Auf der diesjährigen Sommerakademie habe ich eine Woche lang Norwegisch gelernt und nahm das zum Anlass, Ende August eine Woche durch das Land zu touren. Höhepunkt sollte die Bergenbahn mit Abstecher zur Flåmbahn sein, aber auch der Rest der Reise sollte (soweit möglich) mit dem Zug stattfinden. Für die Rückfahrt aus Bergen hatte ich mit dem Schiff direkt nach Hirtshals geliebäugelt, aus verschiedenen Gründen entschied ich mich aber für den Nachtzug zurück nach Oslo und das Schiff ab Kristiansand.
Tariflich bot sich für die Tour eine Kombination aus Einzelfahrscheinen und Interrail an, das neuerdings auch für je eine Fahrt zur und von der Grenze im Heimatland genutzt werden kann. Da das ja für mich keine kurzen Wege sind, nutzte ich Interrail unter anderem für diese Fahrten, was den Vorteil hatte, dass ich mich nicht im Voraus auf Züge festlegen musste.
Für die erste Etappe nach Lübeck gab es, hauptsächlich wohl wegen der Bauarbeiten zwischen Hannover und Göttingen, nach meinem Feierabend trotzdem nur eine wirklich sinnvolle Verbindung. Kurz bevor für diese der Zug nach FF abfuhr, stellte ich fest, dass der ICE von da aus mehr als +60 hatte. Um noch zu einer zivilen Zeit in AL anzukommen, setzte ich also alles daran, eine Stunde früher als geplant in Hamburg anzukommen. Der Versuch, das über NWH sicher zu schaffen, scheiterte daran, dass der ICE dorthin in NAH vor meiner Nase pünktlich wegfuhr. Plan B, den ICE ab FF zu erreichen, gelang, da dieser ebenfalls verspätet war. Leider so viel, dass es mit der Ankunft eine Stunde früher in AL nicht klappte, aber immerhin wurde es dann wie ursprünglich geplant 22:50 Uhr, und ab Kassel hatte ich sogar einen richtigen Sitzplatz.
Am nächsten Morgen ging es nach einem ausgiebigen Familienfrühstück schon um 10:06 weiter nach Kopenhagen, was leider ja derzeit nicht direkt geht, sondern es war in Rødby ein Umstieg auf den Bus nötig. Immerhin habe ich die Trajektierung des Zuges, die es auch nicht mehr lange geben soll, noch mal erlebt und diesmal davon auch ein paar Bilder gemacht:
Um nicht mit allem Gepäck die steilen Schiffstreppen laufen zu müssen, durften wir nach Ankunft in Rødby noch mal in den Zug, der dann zum Bahnsteig fuhr, wo eine improvisierte Grenzkontrolle stattfand und wenige Meter entfernt die Busse in die Hauptstadt abfuhren.
Die Fahrt war recht eintönig, so dass ich nach ein paar Kilometern einschlief und erst kurz vor dem Ziel wieder aufwachte. Dort stieg ich dann wieder auf die Bahn um, allerdings nur für zwei Stationen zu meiner Unterkunft. Von dort erkundete ich die Stadt zu Fuß und stieg unter anderem – nach einer Weile Schlangestehen – auf den Turm der Erlöserkirche mit der schwindelerregenden Außenwendeltreppe.
Am nächsten Morgen ging es noch früher los: Da es nur zwei sinnvolle Verbindungen nach Oslo gab und die späte schon sehr spät war, entschied ich mich für die Verbindung um 8:20 Uhr, die mich zunächst mit dem Öresundzug über die gleichnamige Brücke führte. Auch hier wurde für den Aufenthalt in Hyllie eine Passkontrolle angekündigt, die aber nicht stattfand. Vom Tunnelbahnhof Malmö C ging es über die Westküstenbahn, die abschnittsweise neu trassiert wird, in dreistündiger Fahrt nach Göteborg, wo ich (ebenso wie der Zug vor der Rückfahrt nach Kopenhagen) eine knappe Stunde Aufenthalt hatte, die ich hauptsächlich zum „Fuzzen“ nutzte.
Weiter ging es nun schon mit einem norwegischen Zug der BR 73:
Die weitere Fahrt dauerte knapp vier Stunden und führte unter anderem durch den Ort Ski, der allerdings mit dem gleichnamigen Sport (jedenfalls etymologisch) nichts zu tun hat. Wenig später kam ich in der nächsten Hauptstadt an, diesmal der norwegischen, wo ich vom Hauptbahnhof wiederum eine Station weiterfuhr, da mein Hotel in der Nähe des Nationaltheaters lag. Den nächsten Tag verbrachte ich ausschließlich in der Stadt, zu Fuß, mit dem Schiff zur Museumshalbinsel Bygdøy und mit der Tunnelbane über die Holmenkollenbahn mit ihren Steigungen und engen Kurven. Und ich ließ es mir nicht nehmen, ein Stück Heimat (zumindest dem Namen nach) zu besuchen.
Die Bergenbahn bestieg ich am nächsten Tag ebenfalls nicht am Osloer Hauptbahnhof, sondern nach Vorlauf ab Nationaltheater in Sandvika.
Meine Befürchtung, angesichts der Markierung des Zuges im Netz als „ausgebucht“ keinen Sitzplatz zu bekommen, bestätigte sich nicht. Der Zub wunderte sich nur etwas, dass jemand auf einem nicht reservierten Platz saß, glaubte mir dann aber unbesehen, dass ich ein Interrail-Ticket hatte. Die Fahrt verlief vorbei am zweiten namensgebenden Ort des Beitrags, der im Winter tatsächlich Zentrum eines Skigebiets ist, durch immer dünner besiedelte und karger werdende Landschaft, bis wir in jeder Hinsicht den Höhepunkt der Reise erreichten, die Hochebene Hardangervidda mit dem Bahnhof Finse auf leicht zu merkenden 1222 Metern über dem Meer. Zwei Stationen später und etwa 400 Höhenmeter tiefer verließ ich den Zug in Myrdal, wo es nichts gibt außer der Umsteigemöglichkeit zur Flåmbahn.
Die kam schon bald angetuckert, sofern man das für einen elektrischen Zug sagen kann, und war sowohl vor als auch nach dem Fahrgastwechsel rappelvoll, zu einem guten Teil mit Reisegruppen. Ich überlegte, ob ich tatsächlich einsteigen oder lieber mit dem nächsten Zug weiter nach Bergen fahren wollte, entschied mich dann aber doch für Ersteres und fand noch einen Platz gegenüber einem vermutlich britischen alleinreisenden Touristen. Und los ging die Fahrt über 800 Höhenmeter auf 20 Kilometern, die landschaftlich in der Tat sehr beeindruckend ist. Da die Strecke mittlerweile komplett auf Touristen eingestellt ist, wird am Wasserfall Kjosfossen sogar ein fünfminütiger Fotohalt eingelegt, an dem ich aber zu faul war, den Zug zu verlassen. Das Foto wurde trotzdem brauchbar:
Unterwegs kam auch der Zub vorbei, um mir eine Fahrkarte zu verkaufen, in Myrdal geht das nämlich nicht. Nach ein paar Versuchen war dann auch der Kartenleser online, und ich konnte das Ticket kaufen, das selbst mit Interrail-Rabatt noch stolze 290 Kronen (ca. 29 Euro) kostete. Die vergünstigten Rückfahrkarten gibt es im Zug nicht. Insgesamt scheint der Betrieb darauf ausgerichtet zu sein, dass man in Flåm einsteigt und dort vorher eine Fahrkarte kauft. Dort angekommen, wurde erst richtig deutlich, was für ein Massenbetrieb die Bahn und der Ort inzwischen sind:
Beim Versuch, am Schalter eine Fahrkarte für die Rückfahrt zu verkaufen, verwies man mich auf den übernächsten Zug, da der nächste bereits voll war. Also hatte ich ein wenig mehr Zeit, um den Ort und den Fjord (toller Reim) etwas zu erkunden und natürlich auch den Zug auf den Chip zu bannen.
Auf der Rückfahrt sicherte ich mir einen Platz gegenüber einem italienischen Paar an einem Fenster, das sich öffnen ließ, wodurch sich noch einige gute Fotos ergaben.
In Myrdal hatte ich direkt Anschluss an den Regionalzug nach Bergen, der deutlich leerer war als die Flåmbahn. Von Myrdal nach Bergen gibt es einen regelmäßigen Regionalverkehr und damit deutlich mehr Züge als über die Gesamtstrecke. Noch mehr Züge (etwa einer jede Stunde) fahren aber zwischen Bergen und der vorherigen Station Arna. Obwohl im Zug noch genug Platz war, setzte sich mir gegenüber ein amerikanisches Paar, weil es dort reserviert hatte (ich wusste gar nicht, dass das in Norwegen in Regionalzügen geht).
Obwohl die Landschaft teilweise noch sehr interessant war, war ich froh, als wir nach knapp drei Stunden schließlich Bergen erreichten, fasste noch im Einkaufszentrum neben dem Bahnhof Essen und machte mich dann mit dem Bus auf den Weg zur Jugendherberge, die am Stadtrand mit einem Superblick über die gesamte Bucht liegt:
So sparte ich mir die Fahrt mit der Seilbahn auf einen der Berge und nutzte den nächsten Tag, um die Stadt zu erkunden.
Bereits am späten Nachmittag war ich damit durch und musste jetzt die Zeit bis zur Abfahrt des Nachtzuges totschlagen, zumal es (wie vorhergesagt) anfing zu regnen. Das gelang mir ganz gut unter anderem mit Kaffeetrinken, Essen, Postkartenschreiben und einem spontanen Besuch in der Stadtbibliothek neben dem Bahnhof. Mein Leseverständnis ist in der Tat inzwischen recht gut, das Hörverstehen lässt aber noch arg zu wünschen übrig, zumal es im Norwegischen sehr viele sehr unterschiedliche Dialekte gibt.
Da es abends etwas weniger regnete, ging ich doch noch mal in die Stadt, weil ich mir einen Blick auf Bergen bei Nacht erhoffte. Leider war der nicht so spektakulär wie erhofft, da unter anderem das Wahrzeichen Bryggen kaum beleuchtet war. Zu allem Überfluss nahm der Regen wieder kräftig zu, so dass ich klatschnass am Bahnhof eintraf.
Wenigstens wurde da bald der Nachtzug bereitgestellt. Die Schlafwagen waren zwar direkt am Prellbock, allerdings brachte es nichts, dort einzusteigen: Die Abteile waren nämlich abgeschlossen, und die Schlüsselkarte gab es im Speisewagen beim Zub. Dem machte ich irgendwie auf Norwegisch klar, dass ich bis Oslo im Abteil bleiben wollte, um nicht frühmorgens zwei Stunden in Drammen verbringen zu müssen, und bekam meine Karte. Bald nach der Abfahrt legte ich mich schlafen und tat das auch einigermaßen gut.
Als ich aufwachte, waren wir kurz vor Oslo und hatten eine knappe Stunde Verspätung, was wohl an Schäden durch das vorangegangene Unwetter lag. Zum Glück reichte meine Umsteigezeit auch hier aus, nur musste ich mich jetzt mit dem Anziehen und Verlassen des Zuges etwas sputen. Das gelang mir aber alles rechtzeitig, und im Bahnhof blieb noch Zeit, ein Frühstück zu erwerben. Auf der Website von Vy, wie die norwegische Bahn jetzt heißt, steht übrigens etwas von bahnhofsnahen Hotels, die für Nachtzuggäste vergünstigte Frühstücke anbieten. Leider fand ich die Infos nicht, die es angeblich in den Abteilen dazu geben sollte, aber ich hätte nun ohnehin keine Zeit mehr gehabt, denn mein Zug nach Kristiansand (und weiter nach Stavanger), wieder ein 73er, fuhr kurze Zeit später.
Bis Kongsberg verlief die Fahrt normal, der Zub wunderte sich nur etwas, dass ich nicht erst in Drammen eingestiegen war. Dann allerdings blieben wir erst mal eine Weile stehen. Obwohl sonst die meisten Ansagen auch auf Englisch waren, gab es jetzt nur welche auf Norwegisch, wovon ich leider nur Bruchstücke verstand. Die Vy-Website teilte mir aber mit, dass es auf dem weiteren Streckenabschnitt eine Signalstörung gebe. Nach einer Weile ging es weiter bis Nordagutu. Zwischen hier und dem nächsten Bahnhof Bø war wegen der Störung die Strecke gesperrt. Weiter ging es mit einem Ersatzbus, auf den wir auch noch mal eine Weile warten mussten. Wenigstens stand in Bø schon der Zug für die Weiterfahrt bereit, wieder eine BR 73, so dass wir die gleichen Plätze wieder einnehmen konnten. Allerdings hatten wir jetzt eine Verspätung von etwa viereinhalb Stunden, so dass mein gebuchtes Schiff weg sein würde und ich nur mit viel Glück noch das letzte an diesem Tag erreichen würde.
Dieses Glück hatte ich nicht: Zwar ist das Fährterminal in Kristiansand direkt neben dem Bahnhof und das Schiff war auch noch da, allerdings war der Check-in bereits beendet. Also musste ich etwas umdisponieren und mir ein Hotelzimmer suchen, was mit einem günstigen Hotel direkt um die Ecke erstaunlich gut gelang. Und so hatte ich noch ein wenig Zeit, um mir die durchaus hübsche Stadt ein wenig anzugucken.
Am nächsten Morgen war dann um 8 Uhr Checkin angesagt, wobei ich nicht wusste, dass der vor dem Aufenthalt in der Wartehalle hätte stattfinden sollen, er ließ sich aber nachholen.
Ebenso nachholen ließ sich auf der Fähre der Schlaf, der mir durch das frühe Aufbrechen fehlte. Laut Kapitän mussten wir wegen Gegenwind langsamer fahren als sonst, die Fahrt war aber trotzdem ruhig. Statt der planmäßigen 2 1/4 Stunden brauchten wir so 2 1/2, was meinen Zeitplan aber nicht erneut durcheinander brachte. Obwohl die Fjordline-Website es verschwiegen hatte, gab es praktischerweise nach der Ankunft in Hirtshals auch einen Bus für günstige 30 Kronen (ca. 4 Euro) zum Bahnhof, der in einer Entfernung von „kann man laufen, muss man aber nicht“ zum Hafen liegt.
Bis zur Abfahrt des nächsten Zuges war es auch nicht mehr lange, so dass ich bald der Ansage → „Toget standser kun ved tryk på stopknappen“ an fast jeder Haltestelle lauschen durfte (leider habe ich sie nicht selber aufgenommen). Vor der Einfahrt nach Aalborg zogen wir uns aus nur auf Dänisch durchgegebenem Grund Verspätung zu, so dass ich dort eine gute halbe Stunde Zeit hatte, die örtlichen Busse zu erlegen. Das Tagesziel Aarhus erreichte ich um dieselbe Zeitspanne später als geplant und marschierte erst mal zum Hotel, um einzuchecken und mich kurz auszuruhen. Den Rest des Tages verbrachte ich vor allem in Den Gamle By, einem Freilichtmuseum, das Stadthäuser aus drei Epochen aufgebaut hat und sie unter anderem durch zeitgemäß gekleidetes Personal wieder aufleben lässt. Im 1974er-Bereich gibt es auch eine Ausstellung zur gesamten Stadtgeschichte, die unter anderem eine Lok und alte Fahrkarten für den ÖPNV zu bieten hat.
Am nächsten Tag nahm ich mir vor, den Schlosspark Marselisborg zu besichtigen. Dieser ist allerdings nur dann offen, wenn die Königsfamilie gerade nicht im Schloss anwesend ist. Sinnigerweise bekommt man im Netz nirgendwo heraus, ob das der Fall ist. Also fuhr ich hin, und natürlich war der Park geschlossen. Immerhin gibt es nebenan den immer offenen Mindepark, von dem aus sich ein Blick auf das Schloss (mit Königsflagge) bietet.
Zurück in die Stadt fuhr ich mit einem recht gut gefüllten Regionalbus, machte dort noch ein paar Bus- und sonstige Bilder, aß einen original dänischen Hotdog, holte mein Gepäck aus dem Hotel und ging zum Bahnhof.
Mein nächstes Etappenziel war Jübek, das schon wieder kurz hinter der Grenze nach Deutschland liegt. Hierfür hatte ich bis Flensburg kurzfristig ein DSB-Orange-Ticket (mit Umstieg in Fredericia) gekauft, das günstiger war als ein Tag Interrail. Und die Fahrkarte für die zwei Stationen von dort nach Jübek machte den Kohl auch nicht mehr fett. A propos fett: Meine Gastgeber in Jübek waren auf ihrem Bauernhof gerade dabei, zwei frisch geschlachtete Schweine zu verarbeiten, wobei ich ein wenig mithalf und dafür auch vom Braten mitessen durfte.
Für die Rückfahrt an den Untermain setzte ich am letzten Tag noch mal das Interrail ein. Bis Würzburg fuhr ich dabei zusammen mit dem Bruder meiner Gastgeberin, wobei wir in Hamburg Dammtor vom RE in den ICE umstiegen. In dem fanden sich noch genug freie Plätze, pünktlich war er auch und im Bordbistro gab es Cappuccino – was will man mehr. In Würzburg versuchte ich die Umsteigezeit für ein Essen beim Asiaten zu nutzen, was allerdings dazu führte, dass ich etwas schlingen und doch einen Rest stehen lassen musste, weil es doch länger dauerte als gedacht und ich den Zug nicht verpassen wollte. Das tat ich denn auch nicht und erreichte pünktlich und gut gesättigt NAH, von wo ich nicht laufen wollte, sondern den nächsten Bus nach Hause nahm.
Fazit: Eine rundum gelungene Reise. Auch der Regen in Bergen und die ungeplante Übernachtung in Kristiansand haben den Gesamteindruck nicht getrübt, zumal ich letztere möglicherweise von Vy erstattet bekomme – der Antrag ist bereits eingereicht. Mit einem Wort: Geilo!
Alle Fotos von der Reise gibt es in meinem Album.
2 thoughts on “Ski? Geilo!”