Kein Wochenende vergeht momentan bei mir ohne Bahnfahrt – diesmal ging es nach Bremen, um einen Freund zu besuchen. Der hatte mir vom „Moorexpress“ erzählt, der am Wochenende viermal täglich von Bremen nach Stade und zurück über eine sonst nicht im Personenverkehr bediente Strecke fährt.
Für die Fahrt nach Bremen musste ich ein wenig tricksen, damit es nicht allzu teuer wurde: Ich entschied mich schließlich für eine Verbindung mit nur IC und längeren Nahverkehrsanteilen und setzte außerdem noch den „Rio-Rabatt“ für deutsche Goldmedaillen ein. Damit kostete die Hin- und Rückfahrt erträgliche 44,80 Euro.
Dafür musste ich am Freitag auch schon direkt von der Arbeit zum Bahnhof, um mich in den RE nach FH zu setzen. Dort erreichte ich noch den HVZ-Verstärker nach Fulda, mit 8 Minuten der knappste Anschluss auf meiner Tour. Besonderheit dieses Zuges ist, dass er fliegend die RB überholt und dabei munter zwischen den drei Gleisen der Strecke nach Gelnhausen hin und her wechselt, da zwischendurch auch noch der Fernverkehr überholt. In Schlüchtern muss er dafür allerdings auf die Seite, da es hier nur noch zwei Streckengleise gibt. In den neuen Doppelstöckern gibt es sogar Klappsitze mit (ebenfalls klappbaren) Armlehnen:
In Fulda enterte ich den Wochenendverstärker-IC 1984, der interessante Wagen aus dem ehemaligen Touristikzug hatte. Hier ein deklassierter 1.-Klasse-Wagen:
Die Sitzlandschaft in der (nach wie vor) 2. Klasse erinnerte mich eher an ein Großraumbüro als an einen -wagen.
Auf einem richtigen Sitz konnte ich allerdings ohnehin erst in Kassel Platz nehmen, bis dahin blieben mir nur die Treppenstufen am Eingang. Von nun an leerte sich der Zug zusehends, auch auf der Altstrecke zwischen Göttingen und Hannover, wo der Zug in Kreiensen, Alfeld und Elze hielt – Orte, die man wohl vor allem als Bahnreisender kennt.
In HH nutzte ich die Umsteigezeit für einen Espresso und stieg dann in den RE, der mich problemlos nach Bremen brachte, wo mich mein Gastgeber empfing und mit der Straßenbahn zu ihm nach Hause begleitete.
Am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen, denn um Zeit in Stade zu haben, blieb nur der Moorexpress um 9.07 Uhr. Der stand schon am Bahnsteig bereit, vorne für Reisende mit Reservierung, hinten für solche ohne und mit Fahrradwagen in der Mitte.
Unsere Fahrkarte hatte mein Freund in der Kartenvorverkaufsstelle eines Kaufhauses gekauft, entsprechend sah sie einer Fahrkarte denkbar wenig ähnlich.
Als gültig anerkannt wurde sie zwar, trotzdem waren aus unerfindlichen Gründen unsere reservierten Plätze besetzt, so dass wir im Wagen ohne Reservierungen Platz nahmen. Nachdem wir in Osterholz-Scharmbeck von der Hauptstrecke abgebogen waren, folgte bald die namensgebende Moorlandschaft.
Im Künstlerdorf Worpswede stiegen sehr viele Fahrgäste aus, so dass wir uns bessere Plätze suchen konnten. In einem der Dörfer drehte links gerade ein elektrischer Mähroboter seine Runden, während rechts die Graspflege durch ebenfalls „Mäh“ machende „Roboter“ erledigt wurde. In Gnarrenburg (von sächsischen Waffenhändlern gegründet?) kreuzten wir den Gegenzug und hielten erst danach am Bahnsteig, in Bremervörde fuhren wir ein kurzes Stück über die regulär bediente Strecke Buxtehude – Bremerhaven. Pünktlich um 11.42 Uhr erreichten wir Stade, wo wir ein wenig die Stadt erkundeten.
Höhepunkt war eine Turmführung in der St.-Cosmae-und-Damian-Kirche mit einem sehr amüsanten Italo-Niederländer, bei der es außer einem schönen Blick über Stade auch das Uhrwerk und die Arp-Schnitger-Orgel zu sehen gab.
Danach machten wir uns wieder auf den Weg zum Bahnhof. Diesmal konnten wir auf unseren reservierten Plätzen sitzen, von wo wir Blick auf die oft schnurgerade Strecke hatten.
Diesmal fuhren wir mit der anderen Moorexpress-Garnitur, die als Fahrradwagen ebenfalls einen Schienenbus hat, hier beim Warten auf die Zugkreuzung in Gnarrenburg.
Bremen erreichten wir zwar ohne Probleme, aufgrund des schlechten Streckenzustands mit vielen ungesicherten BÜ aber in eher gemächlichem Tempo, streckenweise bis hinab zu 20 km/h. Am Ausgangspunkt zurück, gingen wir noch westafrikanisch essen und kauften für den nächsten Tag ein. Der war wie vorhergesagt vor allem durch heftige Schauer geprägt, durch einen solchen bahnten wir uns den Weg zur Straßenbahn (no pun intended), wo mein Gastgeber mich verabschiedete. Die Wartezeit auf den Zug nutzte ich natürlich unter anderem für Straßenbahnfotos:
Die Rückfahrt verlief ebenfalls ohne Schwierigkeiten: RE bis Hannover, wo mir noch ein Tw 3000 und ein Erixx vor die Linse kamen, dann IC mit ex-IR-Wagen bis Frankfurt über die Main-Weser-Bahn, die immer eine nette Abwechslung darstellt, dann RE nach NAH, wo ich noch meinen in Maintal wohnenden Cousin traf, dann Fahrrad nach Hause.