Wie ja vielleicht einige Leser wissen, gibt es in Deutschland – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – kein nennenswertes nationales Fernbusnetz. Das liegt daran, dass Fernbuslinien in der Regel nur genehmigt werden dürfen, wenn es keine parallele Bahnverbindung gibt, und die ist in Deutschland meistens vorhanden. Sinn der Sache ist es, die Eisenbahn vor Konkurrenz durch den Bus zu schützen. Als Eisenbahn- und Umweltfreund hatte ich dagegen bisher nicht viel einzuwenden, aber in einem Artikel* der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ stellt sich die Situation jetzt anders dar.
Die Autoren der dazu gehörigen Studie haben untersucht, wie der Fernverkehrsmarkt über alle Verkehrsträger in Deutschland aussähe, wenn es ein Fernbusnetz gäbe. Dabei werden die beiden Optionen niedrige und hohe Netzdichte betrachtet. Als Referenzen dienen unter anderem die Erfahrungen mit Fernbussen in anderen Ländern (Großbritannien, Schweden, USA) sowie eine Umfrage, die die Präferenzen der Nutzer zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln (Auto als Fahrer, Auto als Beifahrer, Flugzeug, Bus, Zug) ermittelt.
Überraschendes Ergebnis: Der Markt für den Bus würde sich vorwiegend aus jetzigen Autonutzern rekrutieren. In einem Szenario hoher Netzdichte läge der Marktanteil des Busses bei 27,7%, während 19,4% der Reisenden Zug fahren würden. Im aktuellen Modal Split hat der Eisenbahnverkehr einen Anteil von 18%, so dass es keine Verdrängung gäbe. Das liegt vermutlich daran, dass der Bus Marktanteile vor allem unter preissensiblen Kunden gewinnen würde, die sich eine Bahnfahrt momentan überhaupt nicht leisten können oder wollen.
Auch aus Umweltsicht schneidet der Bus gut ab: die so genannten externen Kosten, die neben den Umweltschäden z.B. auch die Kosten für Lärm und Unfälle enthalten, liegen bei einem zu 44% besetzten Bus auf gleicher Höhe wie bei der Bahn, bei höherer Besetzung noch darunter.
Die Erfahrungen aus den anderen Ländern zeigen auch, dass sich mit Fernbuslinien eine Menge Geld verdienen lässt. Über den Wettbewerb mit der Bahn liefert der Artikel einige Beispiele aus Schweden: Hier gab es zwar einige Angebotsreduzierungen auf der Schiene, die dann aber durch ein verbessertes Busangebot ausgeglichen wurden. Auf anderen Strecken, auf denen die Konkurrenz durch den Bus groß ist, hat die Bahn ihre Preise gesenkt, um mithalten zu können.
Fazit: Die Einführung eines Fernbusnetzes in Deutschland hätte aus Sicht eines Eisenbahnfreundes nicht immer erfreuliche Folgen, verkehrs- und sogar umweltpolitisch wäre sie allerdings offensichtlich zu empfehlen.
*Walter, M. et AL.: Potenzial des Fernlinienbusverkehrs in Deutschland. Chancen für Umwelt, Mobilität und Wettbewerb, in: Internationales Verkehrswesen 4/2009
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