Eis, Kaffee, Venezia

Mit dem 6. Januar 2017 fiel mal wieder ein Feiertag so, dass sich ohne Urlaubstag ein langes Wochenende ergab (das war es dann aber auch erst mal für die nächsten Jahre). Ich beschloss, selbiges für einen Kurztrip nach Venedig zu nutzen: hin mit dem Nachtzug, der just einen Monat vorher durch die ÖBB von der DB übernommen wurde, zurück mit einem Umweg über die Berninabahn.

Die Fahrt über die Berninabahn und der ICE nach München ließen sich am ersten Buchungstag problemlos buchen, der Nachtzug war jedoch erst nach einer Woche buchbar. Das gewünschte Deluxe Single (mit eigener Dusche) war dann doch zu teuer, also wurde es ein Economy Single. Kurze Zeit später wurde dann auch noch die Abfahrtszeit um eine Stunde vorverlegt, so dass ich den Zubringerzug nach München umbuchen musste und auf 17,50 Euro Stornokosten sitzen blieb.
Die Fahrt selber beginnt dann am Donnerstagabend um 19.23 Uhr in NAH. Der vorausfahrende RE hat etwa +5, die er dadurch automatisch auch dem ICE mitgibt. Ich erwarte, dass der RE irgendwo zur Seite genommen wird, wir fahren aber bis Nantenbach hinter ihm her. Auf der Fahrt durch den Spessart merke ich mal wieder, dass ein Zug zum unangenehmen Schwanken keinen Doppelstock und keine Neigetechnik braucht. Und auf der ausgehängten Streckenkarte fällt mir ein Kuriosum auf: Wo liegt denn „Wunsdorf“?

DB-Streckenkarte mit 'Wunsdorf'

Sonst verläuft die Fahrt problemlos. Die Verspätung fahren wir zwar wieder heraus, ziehen uns aber kurz vor MH beim Schleichen durchs Vorfeld wieder etwa +5 zu. Ich kaufe mir noch Proviant und mache mich dann auf den Weg zum Nachtzug. Dessen Flügel nach Budapest, Zagreb und Rijeka (den es jetzt sogar ganzjährig wieder gibt) kenne ich schon, der nach Venedig ist der letzte, der mir noch fehlt. Er besteht aus Liege- und Sitzwagen in normaler ÖBB-Lackierung und einem Schlafwagen in DB-Lackierung:

ÖBB-Sitzwagen

ÖBB-Schlafwagen, ex DB

ÖBB-Liegewagen

Innen wirken die Wagen einerseits recht modern, andererseits aber auch renovierungsbedürftig. Die Wände scheinen recht dünn, und die Tür zum Nachbarabteil lässt sich nicht abschließen, aber da die Familie dort recht vertrauenswürdig wirkt, mache ich mir darüber keine Sorgen. Und das, was da im Waschbecken liegt, ist ein Teil der Schranktür:

Gang eines ÖBB-(ex-DB-)Schlafwagens

Abteil eines ÖBB-(ex-DB-)Schlafwagens

Abteil eines ÖBB-(ex-DB-)Schlafwagens

Sehr ums Detail bemüht hat man sich beim Begrüßungspaket für die Reisenden, unter anderem gibt es eine kleine Flasche Prosecco und Schlappen.

Begrüßungspaket eines ÖBB-(ex-DB-)Schlafwagens

Duschen hätte ich auch mit Economy können, nämlich in der Gemeinschaftsdusche:

Gemeinschaftsdusche eines ÖBB-(ex-DB-)Schlafwagens

Außerdem gibt es eine Frühstückskarte, aus der man sich sechs Angebote auswählen darf, weitere gegen Aufpreis. Die Karte gebe ich beim netten österreichischen Zub ab.
Wir fahren pünktlich ab. Wegen der früheren Abfahrt hatte ich vermutet, dass wir über eine andere Strecke umgeleitet werden, tatsächlich fahren wir aber wie sonst auch über Grafing nach Rosenheim, wo wir die Stunde einfach abstehen. Währenddessen lege ich mich ins Bett und schlafe ein.
Kurz vor Salzburg werde ich davon wach, wie das Paar auf der anderen Seite (also nicht die Kleinfamilie) dem „Club 1435“ (wie es mal jemand im Usenet nannte) beitritt. Ich nehme es mit Humor, aber mit dem Weiterschlafen dauert es ein wenig. Den Rest der Nacht schlafe ich einigermaßen, aber wie immer nicht so gut wie zu Hause.
Einige Zeit vor der Ankunft in Venedig bringt der Zub das Frühstück:

Abteil eines ÖBB-(ex-DB-)Schlafwagens

Beim Halt in Conegliano sagt mir ein Blick auf den Fahrplan, dass wir leichte Verspätung haben, diese holen wir aber an den nächsten Halten wieder auf. So geht es sogar einige Minuten vor Plan auf die Brücke über die Lagune, die an den Rändern leicht vereist ist

Blick von der Eisenbahnbrücke auf die Lagune von Venedig

und wir erreichen den Bahnhof Santa Lucia stolze 14 Minuten vor Plan. Ganz vorne im Zug ist inzwischen ein Wagen aus Wien in Nightjet-Lackierung:

Nightjet-Wagen

Bis das Hostel aufmacht, schaue ich mich ein bisschen am Bahnhof um und kaufe mir ein 48-Stunden-Ticket für 30 Euro. Hier der erste Eindruck von der Stadt:

Im Venetian in Las Vegas

… ach nee, das Bild war noch vom USA-Urlaub letztes Jahr übrig. So sieht es wirklich aus:

Erster Eindruck von Venedig

Dann checke ich im Hostel ein. Auf mein Zimmer kann ich natürlich noch nicht, werde aber von der Inhaberin (?) sehr nett empfangen und bekomme einen Gratiskaffee. Dann mache ich mich auf, um die Stadt mit dem „Vaporetto“

Innenansicht einer Vaporetto-Fähre

Vaporetto-Fähre

und zu Fuß zu erkunden. Hier zeige ich nur eine kleine Auswahl der Bilder, den Rest gibt es in meinem Album. Hier ein Blick auf den Markusplatz während der Überfahrt nach San Giorgio:

Markusplatz vom Vaporetto nach San Giorgio aus

Und hier das Venedig-Klischeebild schlechthin:

Gondel vor der Rialtobrücke

Abends will ich dann im Studentenviertel essen, wo aber nicht nur keine Studenten, sondern überhaupt kaum Menschen sind. Und das Essen ist auch nicht sonderlich gut. Auf dem Rückweg verlaufe ich mich, auch wenn ich nachher auf dem Stadtplan sehe, dass es tatsächlich nicht mehr weit zum Hostel gewesen wäre. Aber da sitze ich schon auf dem Vaporetto.

Am nächsten Tag fahre ich auf die Glasbläserinsel Murano mit dem Glasmuseum,

Im Glasmuseum auf Murano

die Spitzeinsel Burano (sie ist zwar tatsächlich umwerfend, ich meine aber die Spitze, die dort geklöppelt wird)

Auf Burano

und Torcello, die heute fast unbewohnte Keimzelle Venedigs.

Auf Torcello

Anschließend laufe ich noch ein wenig in der Altstadt herum. Da ich die ganze Zeit draußen war, ist mir doch etwas kalt, und ich trinke für 2,50 einen Kaffee im Stehen an einer Bar – nicht nur für Venedig ist das sehr günstig. Dann hole ich meine Sachen aus dem Hostel und gehe zum Bahnhof, wo ich mir eine Fahrkarte nach Mestre für 1,25 Euro kaufe. In diesem Vorort auf dem Festland fährt mein Frecciarossa nach Mailand ab, wo ich übernachte, um es am nächsten Tag rechtzeitig über die Berninabahn nach Hause zu schaffen. Im Frecciarossa war noch ein Platz in der „Premium“, der dritten von vier Komfortstufen, günstig zu haben. Da sind immerhin Getränke und ein kleiner Snack inbegriffen, und die Sitze sind auch etwas bequemer. Kostenloses WLAN gibt es übrigens auch, aber da man sich erst umständlich anmelden muss, verzichte ich darauf.

In der Premium des Frecciarossa

Snack in der Premium des Frecciarossa

Meine Reiselektüre, sehr spannend zu lesen, auch wenn nur eine einzige Bahnstrecke vorkommt:

Buch 'Der Straßensammler'

Einen Infomonitor gibt es natürlich auch. Die Geschwindigkeit geht nachher bis 294 km/h:

Infomonitor im Frecciarossa

Teurer wäre die Business gewesen:

In der Business des Frecciarossa

Zwischendurch ziehen wir uns wegen einer „technischen Überprüfung“ eine Verspätung von +15 zu, die wir bis Mailand behalten. Zum Glück ist mein Hostel direkt neben dem Bahnhof, und nach dem Einchecken gehe ich sofort ins Bett.

Am nächsten Morgen fahre ich eine Stunde früher als nötig um 7.20 Uhr, um in Tirano nicht nur acht Minuten zum Umsteigen zu haben. Prompt hat mein Zug auch zwischendurch genau +8, die er aber bis Tirano wieder herausfährt – malerisch am Comer See entlang.

Comer See vom Zug aus

An der Endstation

Streckenende in Tirano

angekommen, erkunde ich erst mal die Gegend und trinke einen Cappuccino an der Bar. Mein Trenord-Triebwagen macht sich derweil bereit für die Rückfahrt:

Trenord-Triebwagen

Wegen der Partnerschaft mit der Hakone Tozan Railway gibt es im RhB-Bahnhof das Stationsschild auch auf Japanisch:

Japanisches Stationsschild in Tirano

Derweil ist mein Zug angekommen. Der Triebwagen wird erst mal auf ein Nebengleis rangiert und die Abwassertanks geleert:

Leeren der Abwassertanks bei einem Allegra-Triebwagen

Allegra-Triebwagen

RhB-Rangierlok mit Wagen

Der Bernina-Zug (nicht der nur einmal am Tag verkehrende Express) besteht aus einem Triebwagen vom Typ „Allegra“ (rätoromanisch für „Hallo“) mit angehängten Wagen, u.a. einem Panoramawagen, in dem der Sitzplatz aber 5 Franken extra kostet. Also setze ich mich in den fast leeren normalen Wagen am Ende, wo sich außerdem die Fenster öffnen lassen.

Innenansicht eines RhB-Personenwagens

Pünktlich um 11 Uhr geht es los, und der Zug schraubt sich nach der Ortsdurchfahrt von Tirano immer weiter in die Höhe. Am nächsten Bahnhof Campocologno ist die Schweiz erreicht, und ein Beamter der Grenzwache geht kurz durch den Zug. Bald kommt einer der Höhepunkte, der Kreisviadukt von Brusio:

Fahrt durch den Kreisviadukt von Brusio

Fahrt durch den Kreisviadukt von Brusio

Fahrt durch den Kreisviadukt von Brusio

Fahrt durch den Kreisviadukt von Brusio

Fahrt durch den Kreisviadukt von Brusio

Fahrt durch den Kreisviadukt von Brusio

Und weiter schraubt sich der Zug in die Höhe. In Poschiavo kommt uns ein Allegra mit vorgesetztem Schneepflug entgegen:

Schneepflug vor einem Allegra-Triebwagen

Die Frage, wo denn der dazugehörige Schnee sei, beantwortet sich spätestens bei Alp Grüm:

Bei Alp Grüm

Und am höchsten Punkt bei Ospizio Bernina macht der Lago Bianco seinem Namen alle Ehre, obwohl er eigentlich nach seinem kalkigen Wasser benannt ist.

Lago Bianco bei Ospizio Bernina

Von jetzt ab geht es wieder talwärts. Bald kommt der Umstieg in Pontresina, wo ich auch vom Gleichstrom- ins Wechselstromnetz der RhB wechsle.

RhB-Steuerwagen in Pontresina

Im Zug sitze ich nur wenige Minuten, bevor ich dann in Samedan in den Zug St. Moritz – Chur umsteige. Beide Umstiege funktionieren innerhalb von wenigen Minuten, der in Samedan sogar am selben Bahnsteig – ein Hoch auf den Schweizer ITF! Der Zug nach Chur fährt über die Albulastrecke, die im Winter mindestens so beeindruckend ist wie im Sommer 2006, als ich sie zum ersten Mal befahren habe.

Zug auf dem Landwasserviadukt

Zug auf dem Landwasserviadukt

Schließlich erreichen wir das Rheintal und dann bald Chur, wo ich am selben Bahnsteig von der RhB-Meterspur in die SBB-Normalspur wechsle. Recht bald nach der Abfahrt schlafe ich ein. Als ich nach einer halben Stunde wieder aufwache, höre ich ein nervendes Knarren, das ich nicht einordnen kann. Möglicherweise reibt sich ein Sitz irgendwo an seiner Aufhängung. In Zürich HB steige ich wie die meisten Fahrgäste aus. Ursprünglich war mein Plan, die gute halbe Stunde hier zum Essen zu nutzen, aber es sagt mir nichts so richtig zu, und die Preise sind erwartungsgemäß auch nicht gerade niedrig. Also verbringe ich die Zeit mit ÖPNV-Fotos,

Cobra-Straßenbahn der VBZ

Doppelgelenk-Obus der VBZ

… bis ich dann zu meinem ICE gehe. Der steht am äußersten Gleis bereit und trägt einen Gruß aus der Heimat.

Wappen am ICE 'Castrop-Rauxel'

Nach der Abfahrt wird mitgeteilt, dass der Zug wegen Bauarbeiten umgeleitet wird (da es draußen dunkel ist, sehe ich nicht, über welche Strecke) und wir Basel mit ca. +5 erreichen werden. Ich will im Bordrestaurant essen, der Mitarbeiter dort sieht meinen Rabattgutschein für den Quinoa-Salat und teilt mir mit, dass dieser auf Schweizer Gebiet nicht gilt und nur die Zahlung in Franken möglich ist. Also warte ich bis nach der Grenze, wo ich dann den Salat mit einem Focaccia esse, beides schmeckt recht gut.
Einzige Besonderheit auf der weiteren Fahrt ist die Umleitung über die Main-Neckar-Bahn, somit bleibt die Fahrplanänderung auf der Hinfahrt nicht die einzige. Die dadurch bedingte Fahrzeitverlängerung hatte ich schon eine Woche vorher als Verspätungsalarm bekommen. Statt wie gebucht um 21.48 bin ich also erst um 22.16 Uhr zu Hause, was sich durch mehrere außerplanmäßige Halte auf der nordmainischen Strecke noch mal um 15 min verzögert. Die RB nach Wertheim würde ich gerade noch erreichen, aber ich habe in weiser Voraussicht mein Rad am Bahnhof geparkt und mache mich auf den Weg nach Hause, wo ich sehr bald ins Bett falle.

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