Zum zweiten Mal in diesem Jahr war ich gestern bei einer Veranstaltung der → DVWG (inzwischen überlege ich, Mitglied zu werden). Diesmal haben wir die Betriebsleitstelle von DB Fernverkehr am Galluspark in Frankfurt besichtigt. Natürlich wäre ich am liebsten gleich in die Leitstelle hineinspaziert, aber erst mal gab es einen Vortrag, damit wir überhaupt verstehen konnten, was wir sehen würden.
Zunächst mal gibt es nicht nur eine Leitstelle, sondern mehrere, die horizontal und vertikal organisiert sind: Es gibt Leitstellen von DB Netz, Regio, Fernverkehr und Railion, die jeweils für ihren eigenen Bereich entscheiden können. Alle Bereiche haben regionale Leitstellen, die für die jeweilige Region entscheiden können, und eine bundesweite, die überregional entscheidet. Beim Fernverkehr betrifft das z.B. die Entscheidung, ob ein Zug länger als fünf Minuten auf einen Anschluss warten soll; unter 5 min können die Regionen entscheiden.
Die zentralen Leitstellen von DB Netz, Fernverkehr und Railion befinden sich alle im selben Großraumbüro in Frankfurt. Das führt zu der paradoxen Situation, dass zwar oft der „kurze Dienstweg“ zwischen Netz und den EVU für Synergieeffekte sorgt, andererseits bestimmte Infos vom Netz nicht an die EVU weitergegeben werden dürfen (z.B., wer der Verursacher einer Störung ist).
Die Möglichkeiten der Fernverkehrsleitstelle sind vielfältig: Bei Störungen kann z.B. einer der Ersatzzüge gefahren werden, die an neun zentralen Stellen im Netz stationiert sind. Interessanterweise gehören Hamburg und München nicht dazu, weil dort durch die ICE-Bw immer genug Ersatzzüge zur Verfügung stehen sollten. Möglich ist auch, den Laufweg der Züge zu verlängern, wenn es z.B. keinen fahrplanmäßigen Anschluss mehr gibt. Auch zusätzliche Halte, das Abwarten von Anschlüssen etc. sind möglich, wobei die meisten dieser Regelungen bei DB Netz beantragt werden müssen. Auch für einen Ersatzzug muss natürlich eine eigene Fahrplantrasse bestellt und bezahlt werden. Für diese Kosten kommt übrigens unabhängig vom Verursacher der Störung immer DB Fernverkehr auf.
Danach ging es dann endlich in die eigentliche Leitstelle. Dort sitzen Disponenten mit verschiedenen Zuständigkeitsbereichen (z.B. Bordtechnik nach Baureihen, Zugbetrieb nach Regionen) an Fünffach-Monitoren, an denen sie nahezu alle Daten aus dem Betrieb abrufen können: die genaue Soll- und Ist-Vorbeifahrt bei allen Betriebsstellen, die Anschlüsse auf dem weiteren Laufweg, die Anzahl der umsteigenden Fahrgäste mit Zugbindung, Störungsmeldungen aller Art vom Zugpersonal etc. Trotz des Vortrages fühlten wir uns erst mal ziemlich erschlagen von der Menge an Daten und der Routine der Disponenten, die uns aber sehr freundlich und geduldig alles erklärten. Da es auf der Strecke Hanau–Fulda gerade eine Streckensperrung gab, haben wir eine Menge Störungsmanagement zu sehen bekommen. Und auch die fünf Fahrgäste aus Prag, deren Anschluss nach Kiew in Berlin gefährdet war, haben die Disponenten beschäftigt – man will natürlich die Züge nicht zu lange warten lassen, aber auch eine Hotelübernachtung nach Möglichkeit vermeiden.
Alles in allem ein sehr interessanter Blick hinter die Kulissen. Und auf dem Rückweg habe ich dann gleich die Auswirkungen der Leitstellenarbeit erlebt, als der RE nach Gemünden ab Großkrotzenburg auf dem Gegengleis fuhr, um sich „fliegend“ vom verspäteten IC überholen zu lassen.