Wettbewerb im Fernverkehr

Warum gibt es in Deutschland eigentlich kaum Fernverkehr auf der Schiene, der nicht von der Deutschen Bahn betrieben wird? Diese Frage wird mir als Eisenbahnfreund immer wieder gestellt, und auch mit bahninteressierten Freunden habe ich sie schon diskutiert. Es liegt jedenfalls nicht etwa daran, dass die DB ein Monopol im juristischen Sinne hätte. Seit der Bahnreform 1994 kann jedes Unternehmen, das die notwendige Anerkennung als Eisenbahnverkehrsunternehmen hat, Fernzüge fahren lassen. Allerdings muss das – wie bei der DB auch – eigenwirtschaftlich passieren, d.h., es gibt keine staatlichen Subventionen, sondern die Einnahmen dürfen nur aus dem Fahrkartenverkauf stammen.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Professor Aberle, eine Koryphäe der Verkehrswissenschaft, fasst in einem Kommentar* einige Gründe für den schwachen Wettbewerb im SPFV zusammen:

  • Die notwendigen Fahrzeuge sind teurer als im Nahverkehr: Lok und Wagen, die 200 km/h fahren können, sind teurer als ein Dieseltriebwagen mit einer Spitzengeschwindigkeit von 80 km/h. Außerdem gibt es keine Subventionen für die Fahrzeugbeschaffung, und die DB verschrottet alte Fernverkehrsfahrzeuge lieber, als sie an Wettbewerber zu verkaufen. Ähnlich sieht es bei den notwendigen Werkstätten aus.
  • Mit der BahnCard hat die DB ein sehr wirksames Kundenbindungssystem, von dem Wettbewerber nicht profitieren können. Selbst wenn sie die BahnCard aus Marketinggründen anerkennen, bekommen sie keinerlei Vergütung dafür von der DB oder öffentlichen Stellen. Auf den DB-Konkurrenten InterConnex wurde von DB und Land Mecklenburg-Vorpommern sogar Druck gegen eine Anerkennung der BahnCard ausgeübt (so schreibt es jedenfalls die → Wikipedia).
  • Es ist sehr schwierig, passende so genannte Fahrplantrassen (das Pendant zu Slots im Luftverkehr) zu bekommen. Auf vielen Strecken gibt es nur eine Möglichkeit pro Stunde, einen schnellen Zug fahren zu lassen, und diese ist oft bereits von der DB belegt. Gibt es noch weitere schnelle Trassen, liegen sie oft so, dass es an den Knotenpunkten keine guten Umsteigeverbindungen gibt – da die wenigsten potenziellen Fahrgäste an den Hauptbahnhöfen wohnen, würde der Zug am Fahrgastpotenzial vorbei fahren.
  • Dort, wo es keine Fernverkehrszüge (mehr) gibt, sind oder waren sie meistens für die DB nicht wirtschaftlich. Wegen der Markteintrittsbarrieren (siehe oben) ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich der Betrieb für einen Wettbewerber erst recht nicht lohnt. Eine der wenigen Ausnahmen ist der → InterConnex zwischen Rostock und Leipzig, der einmal täglich zu deutlich niedrigeren Preisen als die DB fährt.

Diese Lage auf dem Fernverkehrsmarkt hat schon zu Forderungen geführt, ähnlich wie im Nahverkehr auch den Fernverkehr zu subventionieren. In seinem Kommentar erteilt Aberle dem eine klare Absage („abstruser Vorschlag“). Ich selber bin da etwas hin- und hergerissen, bin aber der Meinung, dass die DB durch ihre vom Staat „geerbten“ Fernverkehrszüge einen klaren Wettbewerbsvorteil hat. Und Politiker, die sich über einen weggefallenen Intercity-Halt in ihrer Stadt aufregen, sollten so konsequent sein, für dessen Erhalt auch etwas springen zu lassen. Andererseits können halbleere Fernzüge weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll sein. Die Wahrheit liegt also – wie so oft – irgendwo in der Mitte.

* Aberle, Gerd: ICE-Verkehr vom Steuerzahler zu finanzieren?, in: Internationales Verkehrswesen 9/2009

Fernbus ja oder nein?

Wie ja vielleicht einige Leser wissen, gibt es in Deutschland – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – kein nennenswertes nationales Fernbusnetz. Das liegt daran, dass Fernbuslinien in der Regel nur genehmigt werden dürfen, wenn es keine parallele Bahnverbindung gibt, und die ist in Deutschland meistens vorhanden. Sinn der Sache ist es, die Eisenbahn vor Konkurrenz durch den Bus zu schützen. Als Eisenbahn- und Umweltfreund hatte ich dagegen bisher nicht viel einzuwenden, aber in einem Artikel* der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ stellt sich die Situation jetzt anders dar.
Die Autoren der dazu gehörigen Studie haben untersucht, wie der Fernverkehrsmarkt über alle Verkehrsträger in Deutschland aussähe, wenn es ein Fernbusnetz gäbe. Dabei werden die beiden Optionen niedrige und hohe Netzdichte betrachtet. Als Referenzen dienen unter anderem die Erfahrungen mit Fernbussen in anderen Ländern (Großbritannien, Schweden, USA) sowie eine Umfrage, die die Präferenzen der Nutzer zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln (Auto als Fahrer, Auto als Beifahrer, Flugzeug, Bus, Zug) ermittelt.
Überraschendes Ergebnis: Der Markt für den Bus würde sich vorwiegend aus jetzigen Autonutzern rekrutieren. In einem Szenario hoher Netzdichte läge der Marktanteil des Busses bei 27,7%, während 19,4% der Reisenden Zug fahren würden. Im aktuellen Modal Split hat der Eisenbahnverkehr einen Anteil von 18%, so dass es keine Verdrängung gäbe. Das liegt vermutlich daran, dass der Bus Marktanteile vor allem unter preissensiblen Kunden gewinnen würde, die sich eine Bahnfahrt momentan überhaupt nicht leisten können oder wollen.
Auch aus Umweltsicht schneidet der Bus gut ab: die so genannten externen Kosten, die neben den Umweltschäden z.B. auch die Kosten für Lärm und Unfälle enthalten, liegen bei einem zu 44% besetzten Bus auf gleicher Höhe wie bei der Bahn, bei höherer Besetzung noch darunter.
Die Erfahrungen aus den anderen Ländern zeigen auch, dass sich mit Fernbuslinien eine Menge Geld verdienen lässt. Über den Wettbewerb mit der Bahn liefert der Artikel einige Beispiele aus Schweden: Hier gab es zwar einige Angebotsreduzierungen auf der Schiene, die dann aber durch ein verbessertes Busangebot ausgeglichen wurden. Auf anderen Strecken, auf denen die Konkurrenz durch den Bus groß ist, hat die Bahn ihre Preise gesenkt, um mithalten zu können.

Fazit: Die Einführung eines Fernbusnetzes in Deutschland hätte aus Sicht eines Eisenbahnfreundes nicht immer erfreuliche Folgen, verkehrs- und sogar umweltpolitisch wäre sie allerdings offensichtlich zu empfehlen.

*Walter, M. et AL.: Potenzial des Fernlinienbusverkehrs in Deutschland. Chancen für Umwelt, Mobilität und Wettbewerb, in: Internationales Verkehrswesen 4/2009

Neues Tarifsystem im VRR

Seit dem 1. August gilt im VRR ein neues Preisstufensystem. Neu dazu gekommen ist die Preisstufe D, mit der man – wie mit der alten Preisstufe C – im ganzen Verbundgebiet fahren kann. Die neue Preisstufe C gilt nur noch für Fahrten, die (grob gesagt) ein Tarifgebiet weiter führen als Preisstufe B. Die Preisstufe B ändert sich nicht. Die Preisstufe A wird – nur für Ticket 1000 und 2000 – in A1 und A2 aufgeteilt. A1 gilt in kleineren, A2 in größeren Städten, dabei sind auch alle, die aus zwei Tarifgebieten bestehen.

Natürlich sind Fahrscheine der Preisstufe D teurer als bisher die der Preisstufe C (die neuen C-Tickets sind dafür etwas günstiger als die alten). Die bisherige Preisstufe C war anscheinend eine Art Mischkalkulation, die jetzt aufgespalten worden ist. Es ist immer schade, wenn Fahrten mit dem ÖPNV drastisch teurer werden, aber das ist natürlich ein (endloses) politisches Thema. Immerhin müssen diejenigen, die nur wenig über den Bereich der Preisstufe B hinausfahren, jetzt nicht mehr für eine Fahrt durch den kompletten Verbund bezahlen.

Sparen könnte man auf bestimmten Strecken immer noch, indem man Fahrten in mehrere Teilstrecken aufteilt, wenn man sowieso umsteigen muss (z.B. Marl–Ratingen B+B statt D oder Marl–Essen Süd B+A statt C). Leider verbieten das die Tarifbestimmungen, wobei ich mich frage, warum und wie das kontrolliert werden kann.

Was ich mich auch frage, ist, wo der Sinn der neuen Preisstufe A2 liegt. Offensichtlich soll der Aufpreis eine Art Zuschlag für das bessere Angebot in großen Städten sein. Aber durch die Einführung dieser Preisstufe wird das Tarifsystem nur unnötig kompliziert. Und statt mit einem Zuschlag zwischen 81 Cent und 1,30 Euro pro Monat hätte man das Ganze auch gut mit einer Mischkalkulation lösen können (finde ich).

Fristlos gekündigt

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr hat seinen Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn heute fristlos gekündigt. Das bedeutet, dass alle Nahverkehrszüge der DB ab sofort nur noch übergangsweise im VRR unterwegs sind, bis die Verkehre neu ausgeschrieben sind. Die DB fährt ja im Nahverkehr nicht mehr auf eigenes Risiko, sondern immer nur im Auftrag der Bundesländer bzw. der Nahverkehrs-Zweckverbände.
Der konkrete Anlass für die Kündigung war, dass in den Zügen weniger Sicherheitspersonal mitgefahren ist als vertraglich vereinbart. Allerdings gab es in letzter Zeit schon öfter Auseinandersetzungen zwischen VRR und DB, vor allem wegen mangelnder Pünktlichkeit.

Ich bin gespannt, wie sich die Kündigung mittelfristig auswirkt. Wahrscheinlich wird es eher neu ausgehandelte Bedingungen zwischen VRR und DB geben als einen völligen Betreiberwechsel. Denn ich schätze mal, selbst wenn die heute von der DB betriebenen Strecken in Teilnetze aufgeteilt ausgeschrieben werden, werden sich nicht genug andere Betreiber finden. Auf jeden Fall hoffe ich, dass sich hier die Regionalisierung des ÖPNV für die Fahrgäste positiv auswirkt.

Hier die Meldung des WDR zum Thema: → VRR kündigt Vertrag mit Bahn fristlos

Nachtrag (November 2009): Ausgegangen ist das Ganze übrigens mit einem Kompromiss, nach dem die DB Geld in die Modernisierung des Fahrzeugparks investiert. Der VRR erhält einen Teil der Erlöse der DB, verschiebt dafür aber geplante Ausschreibungen um einige Jahre. So bleiben also die verkehrsroten Fahrzeuge den VRR-Fahgästen noch einige Zeit erhalten.

Rhein-Main-Verwirrung (2)

Das Tarifsystem des RMV hat noch eine weitere ärgerliche Eigenheit: Es gibt keine Anschlussfahrscheine. Angenommen, man hat ein Semesterticket für den RMV. Das gilt dann nur für den eigentlichen Verbund ohne die Übergangsbereiche, bei einer Fahrt von Darmstadt nach Aschaffenburg also nur bis Babenhausen. Der Automat in Darmstadt verkauft aber keinen Fahrschein für die Strecke Babenhausen–NAH. Denn diese liegt ja noch im Übergangsbereich, also gilt kein DB-Tarif und Verbundfahrscheine kann man immer nur vom Standort des Automaten aus kaufen. Ob Reisezentren solche Fahrscheine verkaufen, weiß ich nicht, jedenfalls gibt es ja auch nicht immer und an jedem Bahnhof ein (geöffnetes) Reisezentrum.
In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder einen Fahrschein von Darmstadt aus kaufen und einen Großteil der Strecke doppelt bezahlen, oder in Babenhausen aussteigen, einen Fahrschein kaufen und mit dem nächsten Zug weiterfahren, was beim Zweistundentakt am Wochenende kaum eine Lösung ist.
Eine Bekannte von mir wünschte sich die Einführung von Entwertern, so dass man dann in Babenhausen „nur“ noch abstempeln müsste. Aber auch das kann nicht das Wahre sein, denn genau diese Regelung hat VRR-Fahrgäste bis zur Einführung des NRW-Tarifs regelmäßig zur Weißglut getrieben.
Sinnvoller wäre die Möglichkeit, Fahrscheine für die Anschlussstrecken auch an den Automaten zu verkaufen. In NAH steht sogar ein Automat, bei dem man den „Abgangsort ändern“ und so z.B. einen RMV-Fahrschein von Kahl nach Frankfurt kaufen kann. Leider habe ich so einen Automaten noch nirgendwo anders gesehen, insbesondere nicht an den großen Bahnhöfen in Darmstadt und Frankfurt.

Nachtrag August 2014: Inzwischen (?) gibt es zwar Anschlussfahrscheine, das Verfahren zum Kauf ist jedoch → denkbar kompliziert, und für Fahrten in Übergangsbereiche wie Aschaffenburg funktioniert es auch nicht.

Mitfahrzug

Die → Leicesterschwester hat mich auf etwas Interessantes aufmerksam gemacht: den → Mitfahrzug. Ins Leben gerufen hat das Angebot die Internationale Gesellschaft für Eisenbahnverkehr (IGE). Sie bietet häufig Sonderzüge in ganz Deutschland und den Nachbarländern an und will so die dazugehörigen Leerfahrten auslasten. Dementsprechend ist das Angebot sehr überschaubar, aber auch sehr günstig, wenn man zufällig ein Ticket für eine der angebotenen Strecken braucht.

Nachtrag (März 2010): Da die Domain mitfahrzug.de seit längerem nicht erreichbar ist, gehe ich davon aus, dass es auch den Mitfahrzug nicht mehr gibt.

Rhein-Main-Verwirrung

Seit gut zwei Jahren wohne ich ja nun im Übergangsbereich des Rhein-Main-Verkehrsverbundes und kenne mich deswegen auch einigermaßen mit dem RMV-Tarifsystem aus. Trotzdem sind mir einige Dinge bis heute schleierhaft geblieben, zum Beispiel:

  • Warum ist der Tarif zwar in Zonen und Preisstufen organisiert, aber werden Fahrscheine trotzdem nur für eine bestimmte Relation ausgegeben? In anderen Verkehrsverbünden (z.B. dem VRR) werden Fahrscheine nach Preisstufen verkauft und gelten dann eine bestimmte Zeit lang in allen Tarifzonen, die vom Abfahrtsort aus innerhalb dieser Preisstufe liegen. So kann man fast alle verkehrsüblichen Wege zwischen Start- und Zielort benutzen, ohne sich beim Fahrscheinkauf schon festlegen zu müssen.
    Nicht so beim RMV: Hier muss man nicht nur beim Start schon den Zielort angeben und dabei selber die vierstellige Zielnummer, wie 3601 für Obertshausen oder 9142 für Goldbach, kennen oder hoffen, dass der Automat oder der Busfahrer sie weiß. Man muss oft auch genau sagen, über welchen Weg man fahren will, weil sich danach der Preis unterscheidet. Von Aschaffenburg nach Obertshausen gibt es zum Beispiel drei verschiedene Wege mit drei verschiedenen Preisen. Wenn man dann einen Zug verpasst und einen anderen Weg fahren muss, kann man nur auf die Kulanz des Kontrolleurs hoffen.
  • Warum gibt es zwar einen BahnCard-Rabatt, aber nur dann, wenn man ausschließlich mit Eisenbahnzügen fährt? Der eigentliche Grund dafür ist klar: Die DB erstattet vermutlich den kommunalen Verkehrsunternehmen nicht die Kosten, die sie durch die Anerkennung der BahnCard hätten. Für mich widerspricht das allerdings stark dem Gedanken eines Verkehrsverbundes, in dem schließlich ein Fahrschein in allen Verkehrsmitteln gelten soll. Und im Fernverkehr bekomme ich inzwischen den Anreiz, dass ich den örtlichen ÖPNV nur dann benutzen kann, wenn ich einen Fahrschein mit BahnCard-Rabatt kaufe.
  • Warum kosten Fahrscheine in Frankfurt außerhalb der Hauptverkehrszeit weniger? Vergünstigungen sind zwar immer etwas Schönes, aber ein spezieller Tarif für eine bestimmte Zeit in einer bestimmten Stadt macht das Tarifsystem nicht gerade einfacher. Ebenso unübersichtlich ist der Kurzstreckentarif, den es in manchen Städten (mit jeweils unterschiedlicher Streckenlänge) gibt, in anderen wieder nicht. Eine Vereinfachung im Rahmen einer Mischkalkulation würde das Tarifsystem hier deutlich transparenter machen. Nachtrag August 2014: Dieser Rabatt wurde vor einiger Zeit abgeschafft.
  • Als kleines Kuriosum möchte ich noch die Nummern der Preisstufen erwähnen, die nach den Zahlen von 1 bis 7 weitergehen mit 17 (gleicher Preis wie 7, aber anderer Geltungsbereich), 13 und 45. Wenn man hier überhaupt eigene Preisstufen braucht (Übergangsverkehr etc.), hätte man nicht z.B. mit Bezeichnungen wie 2a oder Ü1 arbeiten können? So fühlt man sich ein wenig an die Ziehung der Lottozahlen erinnert.

Zum Schluss aber noch etwas Positives: Im Gegensatz zu anderen Verbünden kann man im RMV, wie auch in der VAB, sein Fahrrad kostenlos mitnehmen (Nachtrag August 2014: außerhalb der Ausschlusszeiten, zu denen eine Fahrradmitnahme gar nicht möglich ist). Das ist nicht nur für Radausflüge sehr praktisch, sondern auch, wenn die Busanbindung des Zielbahnhofs schlecht ist oder es nachmittags anfängt zu regnen, wenn man mit dem Rad zur Arbeit gefahren ist.

Nachtrag August 2014: Danke an Colaholiker aus dem ICE-Treff für die Hinweise.

Swissmetro oder: Ist ein europäisches Magnetbahnsystem sinnvoll?

Vor Jahren hat mir meine Tante ein Werbeplakat des Goethe-Instituts geschenkt, auf dem ganz Europa wie ein U-Bahn-Netz dargestellt war. Daraufhin habe ich natürlich ein bisschen gesponnen, ob man so ein Netz nicht tatsächlich aufbauen könnte – mein „Arbeitstitel“: Eurometro. Unter anderem überlegte ich mir, dass man ja den Energieverbrauch senken könnte, indem man durch ein Vakuum in den Röhren den Luftwiderstand vermindert.
Erstaunt war ich, als ich einige Zeit später las, dass unter dem Namen „Swissmetro“ so ein Projekt tatsächlich geplant ist, allerdings (wie der Name schon sagt) nur für die Schweiz und als Magnetschwebebahn. Auch das Teilvakuum in den Tunnelröhren kam in den Projektstudien vor.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ der DVWG taucht das Projekt nun wieder auf. Prof. Ulrich Weidmann von der ETH Zürich hat untersucht, ob ein Swissmetro-Netz – nun, wie auf dem Plakat, für ganz Europa – wirtschaftlich zu betreiben wäre. Da es in Westeuropa bereits ein funktionierendes Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz gibt, verläuft sein hypothetisches Netz nur in Osteuropa, was natürlich auch aufgrund der größeren Entfernungen Sinn ergibt. Mit verschiedenen Analyseverfahren berechnet Weidmann anschließend, welche Nachfrage im Netz durch Zug- und Flugzeugpassagiere sowie völlig neue Fahrgäste entstehen würde.

Das Ergebnis ist interessant: Die höchste Nachfrage ist auf den Teilstrecken Hamburg–Berlin–Prag (möglicherweise ist die ABS Hamburg–Berlin noch nicht berücksichtigt) und Prag–München zu erwarten. Weiter Richtung Osten (das Netz soll bis Moskau, Helsinki und Istanbul reichen) ist sie deutlich geringer. Aber selbst auf den am stärksten belasteten Abschnitten reicht die Nachfrage nicht aus, um das System wirtschaftlich zu betreiben. Weidmann schließt denn auch mit dem Fazit, dass ein realistischer Markt für ein Magnetbahnnetz in Europa nur zwischen der Wiederaufbauphase nach dem Krieg und dem Beginn des Aufbaus des HGV-Netzes bestanden hat, also etwa in den 60er/70er-Jahren. Damit bestätigt der Artikel die These, dass der Transrapid zwar eine technisch beeindruckende Erfindung ist, aber in Europa kaum verkehrspolitisch sinnvoll eingesetzt werden kann.

Gegen den Transrapid in AB?

Am 2. März ist ja in Bayern Kommunalwahl. Eins der großen Themen auf Landesebene ist zurzeit der Transrapid, der ja zwischen der Münchener Innenstadt und dem Flughafen gebaut werden soll. Nun bin ich auch der Meinung, dass der Transrapid (jedenfalls auf dieser Strecke) eher eine Spielerei ist als ein verkehrspolitisch sinnvolles Projekt. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum SPD und Grüne hier in Aschaffenburg Plakate kleben mit Slogans gegen den Transrapid? Sicher ist es gut zu wissen, dass die beiden Parteien diese Position haben, weil sie ja immerhin eine gewisse Affinität zum lokalen ÖPNV zeigt (die ich den Parteien allerdings auch so zugetraut hätte …). Die Geldgeber auf Landes- und Bundesebene werden sich für Entscheidungen des Aschaffenburger Stadtrates allerdings eher weniger interessieren.

Kompliziert und teuer?

Das jedenfalls ist der Ruf, der dem Preissystem der DB in den Augen vieler anhängt. Zu Recht? Das kann ich zwar nicht entscheiden, aber ein paar Argumente liefern.

Vielleicht zunächst einmal zum Thema „teuer“: Das ist für mich vor allem ein politisches Thema. Auf der Straße und in der Luft zahlt man längst nicht alle Kosten, die tatsächlich anfallen, während der Fernverkehr der Bahn – inklusive der Finanzierung des Fahrweges – sich größtenteils über die Fahrpreise selber tragen muss. Straßen und Luftverkehr sind dagegen stärker indirekt über Steuern bzw. Subventionen (keine Steuer auf Kerosin, hohe Subventionen für Regionalflughäfen) finanziert. Und aus der Sicht eines Autobesitzers ist es natürlich ein Unterschied, ob er ein Auto schon hat (und dann nur noch die Benzinkosten rechnet) oder ob er es erst anschaffen müsste (dann würde die Bahn nämlich meistens deutlich günstiger abschneiden).

Und was die Kompliziertheit betrifft, versuche ich die wesentlichen Punkte des DB-Preissystems erst mal möglichst einfach zu erklären (natürlich ohne Gewähr):

  • Zunächst mal gibt es den Normalpreis, zu dem man immer und überall fahren kann, wenn denn die Fahrkarte zur Strecke und zur Zuggattung (Nahverkehr, IC/EC, ICE) passt. Der Nachteil ist, dass der Normalpreis relativ hoch ist und es leider zwischen zwei Bahnhöfen oft mehrere verschiedene Verbindungen mit verschiedenen Preisen gibt.
  • Wer einen Fernzug (IC/EC, ICE) benutzen will und sich drei Tage vorher auf einen bestimmten Zug festlegen kann, kann einen Fahrschein zu den Tarifen Dauer-Spezial (Pauschalpreise ab 29 Euro), Sparpreis 25 (25% Rabatt) oder Sparpreis 50 (50% Rabatt) kaufen. Das Dauer-Spezial gibt es auch für die einfache Fahrt, die Sparpreise nur für die Hin- und Rückfahrt, wobei beim Sparpreis 50 ein Wochenende dazwischen liegen oder die Fahrt am Wochenende stattfinden muss. Diese Preise sind alle nur verfügbar, solange der Vorrat reicht und können auch nur eingeschränkt umgetauscht werden.
  • Wer lieber spontan, aber viel fährt, kann sich eine Bahncard 50 kaufen, die immer 50% Rabatt auf den Normalpreis bietet. Eine Bahncard 25 bietet zwar nur 25% Rabatt, den dafür aber auch auf die Sparpreise. Da sie außerdem weniger kostet als die BC 50, lohnt sie sich entweder für eine mittlere Menge an Fahrten oder Vielfahrer, die meist im Voraus planen können. Neben dem Dauer-Spezial ist die Kombination BC 25 und Sparpreis 50 die günstigste Fahrtmöglichkeit im Fernverkehr.
  • Ist man zu mehreren unterwegs, zahlen bei den Sparpreisen bis zu vier Mitfahrer nur die Hälfte, für Gruppen mit mehr als fünf Reisenden gibt es einen speziellen Gruppenfahrpreis.
  • Möchte man nur Nahverkehrszüge benutzen, so gibt es für die ganze Woche die Ländertickets für eines oder mehrere Bundesländer. Am Wochenende kann man auch das Schönes-Wochenende-Ticket für ganz Deutschland benutzen. Hier ist das Prinzip sehr einfach: Fahrschein kaufen und in jeden Nahverkehrszug im Geltungsbereich einsteigen, meistens ist das Ticket im örtlichen ÖPNV auch noch gültig.

Dem einen oder anderen mag diese Kurzfassung schon kompliziert erscheinen, aber die Frage ist: Muss man das überhaupt alles wissen? Ich meine: Jein. Es kommt ein wenig drauf an: Die Reisezentrumsmitarbeiter sind zwar oft so kompetent, dass sie die Sparpreise von sich aus anbieten und auch darauf hinweisen, wenn man mit einem anderen Zug deutlich günstiger fährt. Nach verschiedenen Tests von Verbraucherorganisationen lässt diese Kompetenz allerdings auch manchmal zu wünschen übrig.
Und das Internet-Portal bzw. die Automaten der DB kennen zwar auch die meisten Sparpreise, ist aber leider nicht immer sehr einfach zu bedienen. Ich wäre sehr dankbar, wenn die Verfügbarkeit der Sparpreise sofort für alle Verbindungen angezeigt würde. Vor allem, wenn ich (wie meistens) eine Hin- und Rückfahrt buchen will, erfahre ich erst bei der Auswahl der Rückfahrt, dass der Sparpreis für die Hinfahrt nicht mehr verfügbar ist und darf dann erst einmal zu diesem Schritt zurück gehen. Ebenso kann ich, wenn die Rückfahrmöglichkeiten angezeigt werden, nicht mehr mit einem Klick die Hinfahrt ändern, sondern muss den Zurück-Button bemühen oder die ganze Anfrage neu starten. Hier wünsche ich mir noch einiges an Bedienerfreundlichkeit, gerade im Vergleich zu Flug-Suchmaschinen, die sofort alle Verbindungen mit Preis und Verfügbarkeit anzeigen.

Erst wenn man die maximale Ersparnis herausholen will, lohnt es sich, komplett hinter die Kulissen der Sparpreise zu schauen und ein paar Tricks anzuwenden. Dann kann es zum Beispiel günstiger sein, für Dreiecksfahrten eine Hin- und Rückfahrt mit Umweg einzuplanen, für Gabelfahrten eine Teilstrecke verfallen zu lassen oder für Nahverkehrsverbindungen einen kleinen Abschnitt in einem Fernverkehrszug einzuplanen, um vom Sparpreis profitieren zu können.

Und eins ist auch klar: Ein Tarifsystem, das sich selber tragen muss, kann nie gleichzeitig günstig, einfach und gerecht sein. Eine Umfrage im Freundeskreis hat zwar jede Menge interessante Vorschläge gebracht (wie z.B. zusätzliche Rabatte für Studenten oder BahnCard-Inhaber), die aber alle letztlich das Tarifsystem noch weiter verkomplizieren würden.