Brügge-Weg*

Inzwischen kenne ich mich mit dem Online-Verkaufssystem der DB ja ganz gut aus. Manchmal finde ich es zwar etwas knifflig, einen günstigen Fahrschein zu bekommen, aber insgesamt ist das System einigermaßen einfach zu bedienen. Leider gilt das nur für Inlandsreisen, wie sich am Donnerstag Abend mal wieder gezeigt hat: Ich wollte für die Karwoche eine Fahrkarte nach Brügge und zurück kaufen. Über den Tag verteilt gibt es verschiedene Verbindungen: Mit dem ICE bis Köln, von dort mit ICE oder Thalys nach Brüssel und von da weiter nach Brügge. Die Rückfahrt funktioniert entsprechend genau so.

Der Haken an der Sache: ICE und Thalys haben zwei völlig verschiedene Preissysteme. Mit dem ICE kann man eine durchgehende Fahrkarte bis Brügge kaufen, für die dann auch der Sparpreis Belgien der DB gilt – zu den üblichen Konditionen: Vorausbuchung, Zugbindung und begrenztes Kontingent. Und natürlich müssen Hin- und Rückfahrt gleichzeitig gebucht werden und beide im ICE stattfinden.
Der Thalys dagegen hat ein Globalpreissystem, dessen Fahrkarten nicht online bei der DB erhältlich sind. Außer einem DB-Fahrschein bis Köln muss man also auf thalys.com einen Fahrschein bis Brüssel kaufen. Gegen einen geringen Aufpreis ist darin dann die Fahrt zu jedem belgischen Bahnhof inbegriffen (dafür muss man das Ziel „Brüssel TGB“ [toute gare belge] auswählen). Auch der Thalys hat verschiedene Sparangebote, bei denen Hin- und Rückfahrt gemeinsam gebucht werden müssen – natürlich beide im Thalys.

Nach einigem Probieren stelle ich fest, dass es für die Rückfahrt keine passende ICE-Verbindung gibt, für die noch ein Sparpreis zu haben ist. Wegen des Tarifsystems würde ich draufzahlen, wenn ich hin ICE und zurück Thalys fahre, also fahre ich beide Strecken mit dem Thalys. Das heißt: Zwei Browserfenster aufmachen, in dem einen nach einem günstigen Platz im Thalys für die Hin- und Rückfahrt suchen, in dem anderen nach einem Sparpreis nach und ab Köln. Auch hier kann ich nicht in der idealen Zeitlage fahren, und auch der Aufenthalt in Köln wird etwas länger als eigentlich nötig. Zu allem Überfluss war auch noch der Verkaufsserver von bahn.de überlastet und gab unter anderem einmal direkt nach dem Klick auf „Buchung durchführen“ keine Antwort mehr.
Aber letztendlich habe ich es geschafft und eine Reise zum Gesamtpreis von 93,20 Euro für Hin- und Rückfahrt gebucht. An eine dritte Möglichkeit – DB bis Aachen, Euregio-Ticket bis Lüttich und von dort mit den günstigen belgischen Fahrscheinen bis Brügge – hatte ich dabei noch gar nicht gedacht.

Es ist schade, dass Fahrscheinkäufe im Zeitalter des Internets und der europäischen Einigung noch so kompliziert sein müssen. Die DB weist gerne darauf hin, dass Thalys eine eigenständige Gesellschaft ist. Deren Anteile werden allerdings ausschließlich von den nationalen Bahnen Frankreichs, Belgiens und Deutschlands gehalten … Eine Flugsuchmaschine hätte mir den günstigsten Flug heraus gesucht, egal, wo ich umgestiegen wäre und welche Fluggesellschaft dahinter steckt. Ein gutes Vorbild auf der Schiene ist hier die Strecke Frankfurt/Stuttgart–Paris: hier gelten auf der gesamten Strecke die nationalen Angebote beider Bahnen. Hier hat sich schon eine Menge verbessert, aber das Beispiel Belgien zeigt auch, wie viel es noch zu tun gibt.

* Der Brüggeweg ist übrigens eine Straße ganz in der Nähe meines Elternhauses.

Tarifsenkung

Nein, leider nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg wird am 1. Juli das Tarifsystem geändert und dabei die Fahrpreise größtenteils gesenkt.

Kurz zur Erklärung: Das gesamte Großherzogtum Luxemburg stellt eine Art Verkehrsverbund dar, in dem die Fahrscheine für alle Züge (CFL), Regionalbusse (RGTR) und Stadtbusse (AVL, TICE) gelten. Es gibt nur zwei Arten von Fahrscheinen für spontane Fahrten: Die Kurzstreckenfahrkarte (demnächst Kurzzeitfahrkarte) und die Tageskarte.
Mit der Tarifumstellung wird bei der Kurzstreckenfahrkarte die Streckenbegrenzung abgeschafft, daher die Umbenennung. Die Gültigkeitsdauer wird von einer auf zwei Stunden erhöht, der Preis von 1,50 € bleibt bestehen. Der Preis der Tageskarte wird von 5 auf 4 Euro gesenkt. Kinder unter 12 Jahren können in Begleitung eines Erwachsenen ab Juli kostenlos fahren. Mit der Wochenendkarte wird es erstmals auch eine luxemburgische Variante des Wochenendtickets geben (Preis 6 Euro).

Klar, Luxemburg ist klein und reich, und in ländlichen Gebieten sieht die ÖPNV-Anbindung dort auch nicht immer rosig aus. Aber ein wenig von der Einfachheit und Preisgünstigkeit des luxemburgischen Tarifsystems würde ich mir für Deutschland schon wünschen – angesichts der Mittelkürzungen und der komplizierten politischen Verhältnisse bei den Aufgabenträgern wird das wohl leider auch vorerst ein Wunsch bleiben.

ICE, TGV und die Medien

Zum Start der Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris–Frankfurt/Stuttgart am Sonntag waren natürlich auch die Zeitungen und Zeitschriften voll mit Artikeln zum Thema. Viele, wie z.B. der „Spiegel“ der aktuellen und die „Zeit“ der letzten Woche, widmeten sich in dem Zusammenhang auch den dahinterstehenden verkehrspolitischen Fragen. Der Tenor – vor allem im „Spiegel“ – war dabei, dass der Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken in Deutschland unnötig von der Politik behindert wird, während in Frankreich hier geradezu paradiesische Zustände herrschen.
An dieser Aussage ist etwas Wahres dran, denn sicherlich dauert der Bau einer durchschnittlichen ICE-Strecke länger als der einer für den TGV. Und auch die ICE-Halte in den Orten Montabaur und Limburg, die voneinander gerade mal 22 km entfernt liegen und zusammen keine 50.000 Einwohner haben, sind eher kurios.

Trotzdem fand ich die Argumentation in den Artikeln etwas einseitig. Das fängt bei der Geografie an: Hinter jedem Bürgermeister, der einen ICE-Halt für seine Stadt fordert, steckt ein gewisses Fahrgastpotenzial – nicht zuletzt durch Umsteiger im ITF-System, das in Frankreich weitgehend unbekannt ist. Und dafür, dass Deutschland dichter und polyzentrischer besiedelt ist als Frankreich, können weder die DB noch die Bundes- und Landesregierungen etwas. Auch in Frankreich gibt es außerdem TGV-Bahnhöfe „weit ab vom Schuss“ (etwa Haute Picardie und Meuse), die vor allem aus politischen Gründen gebaut wurden (wenn auch mit einem etwas anderen Betriebskonzept). Im „Spiegel“-Artikel ist davon interessanterweise nicht die Rede.

Zweitens sind Neubaustrecken sicher eine feine Sache, aber nicht immer das Nonplusultra. So mokieren sich beide Artikel darüber, dass zwischen Frankfurt und Mannheim „nur“ Tempo 200 gefahren wird und fordern allein deswegen den Bau der NBS Rhein-Main–Rhein-Neckar. Auch das geht ein wenig an der Realität vorbei, denn viel nötiger ist die NBS wegen der derzeitigen Kapazitätsprobleme auf der Riedbahn, während der Fahrzeitgewinn zwischen FF und RM bei einer Erhöhung der Geschwindigkeit von 200 auf 300 km/h nur minimal wäre.
Außerdem spielt bei der Überlegung zum Bau weiterer NBS natürlich wiederum das Fahrgastpotenzial eine Rolle. So kann es im Einzelfall mehr Fahrgästen nutzen, eine (evtl. ausgebaute) Altstrecke zu befahren, als eine teure NBS zu bauen. Diese Möglichkeit ist schließlich auch ein großer Vorteil von herkömmlichen Hochgeschwindigkeitszügen gegenüber dem Transrapid – auch wenn man in den Artikeln dann gerne mitleidig von „Ferkeltaxen“ berichtet, die dem Superzug begegnen (wo gibt es zwischen Frankfurt und Saarbrücken eigentlich 772er?). Ganz zu schweigen davon, dass das auch in Frankreich nicht anders ist, wenn man nicht gerade von Lille nach Marseille fährt.

Und auch die Aussage des „Spiegels“, dass in Frankreich die Autobahn parallel zum TGV nicht ausgebaut wird, wundert mich ein wenig. Zwar kenne ich mich in der Verkehrspolitik unseres Nachbarlandes nicht sehr gut aus, aber ich weiß, dass dort in den letzten Jahren Hunderte von Autobahnkilometern gebaut wurden – darunter eine komplett unabhängige zweite Verbindung Paris–Lyon, also parallel zur ersten TGV-Strecke überhaupt.

Insgesamt werden in der HGV-Politik immer manche Entscheidungen sinnvoller erscheinen und andere weniger. Dabei gibt es allerdings zwischen beiden (und auch anderen) Ländern wesentlich mehr Parallelen, als man bei der Lektüre der Artikel glauben würde. Eins ist aber auf jeden Fall richtig: Der Hochgeschwindigkeitsverkehr wird ein spannendes Thema mit kontroversen Diskussionen bleiben.

(T)Rolltreppe

Die Prager Metro ist ja nicht nur für ihr gutes Wegeleitsystem und ihre tschechischen Ansagen (Ukončete, prosí­m, výstup a nástup, …) bekannt, sondern auf den Linien A und B auch (ähnlich wie Moskau) für ihre langen Rolltreppen. Auf denen habe ich während der Prag-Reise einen interessanten Effekt beobachtet: Die Röhren mit den Rolltreppen sind so lang, dass einem nach einer Weile die Neigung der Röhre „normal“ vorkommt. Das wird noch verstärkt durch die Werbeplakate an den Wänden, die senkrecht zur Rolltreppe angebracht sind (also eigentlich „schief“, aus Sicht der Rolltreppenfahrer „normal“). Wenn man nun die Leute betrachtet, scheinen die total schief auf der Rolltreppe zu stehen – je nachdem, ob man nach oben oder unten guckt, scheinen sie ihren Körper extrem nach vorne oder hinten geneigt zu haben. Wer mal die Gelegenheit hat, auf so einer Treppe zu fahren: Einfach ausprobieren, man kann es schlecht beschreiben 😉 .

Neues Kooperationsangebot DB/SNCF Paris–Stuttgart/Frankfurt

Beim zweiten Teil des Vortrags wurde es dann endgültig international: Herr Ried von der Entwicklungsgesellschaft Rhealys stellte das neue ICE-/TGV-Angebot zwischen Frankfurt/Stuttgart und Paris und dessen Entwicklung vor. Interessant war dabei vor allem die Zusammenführung der völlig unterschiedlichen Betriebskonzepte und Unternehmensphilosophien von DB und SNCF. Hier gab es unzählige Beispiele, wie wegen scheinbar kleiner Details beim jeweils anderen Partner Überzeugungsarbeit geleistet werden musste. So sind z.B. Namensschilder bei Zugbegleitern bei der SNCF, die bisher nur die Dienstnummern ihrer Mitarbeiter kenntlich machen, ein Novum. Ebenso gab es im TGV – der sowieso reservierungspflichtig ist – bisher keine Halter für Reservierungszettel.

All diese kleinen und großen Probleme sind aber inzwischen gelöst und haben – wenn man dem Vortrag glauben darf – eine wahre Quadratur des Kreises bewirkt. Obwohl Züge beider Bahnen abwechselnd fahren (der TGV immer nach Stuttgart und der ICE immer nach Frankfurt), werden die Fahrkarten auf dem gesamten Streckenabschnitt wechselseitig anerkannt. Das gilt auch für nationale Sparangebote wie die BahnCard und die Carte 12-25. Die Reservierungspflicht – die sowieso für innerdeutsche Streckenabschnitte nicht gilt – soll durch kulante Handhabung der Umbuchungen abgemildert werden.
Auch der Service soll in allen Zügen der gleiche sein – angefangen bei den schon erwähnten Namensschildern bis hin zum kostenlosen Essen und den Tageszeitungen in der 1. Klasse. Und natürlich spricht das gesamte Personal sowohl deutsch als auch französisch.

Auch betrieblich war es nicht einfach, die beiden Bahnen unter einen Hut zu bringen. Während bei der SNCF immer noch der betriebsoptimale Fahrplan im Vordergrund steht, ist bei der DB der symmetrische Fahrplan Quasi-Standard. Außerdem mussten außerhalb der NBS natürlich die parallel fahrenden Güter- und Regionalzüge berücksichtigt werden, was ein Grund dafür ist, dass im Vorlaufbetrieb (Juni bis Dezember 2007) zwei der drei ICE aus Paris bereits in Saarbrücken statt in Frankfurt enden. Ab Dezember wird es aber auf der gesamten Strecke einen weitgehend symmetrischen und vertakteten Fahrplan mit durchgehenden Zügen geben.

Der Grund für die Verteilung „Nordast: ICE“ und „Südast: TGV“ ist übrigens recht trivial: TGV und ICE sind zwar im jeweils anderen Land zugelassen, aber nur als Einfachtraktion. Es wäre mit dem ICE also nicht möglich, Straßburg mit Doppeltraktionen anzufahren, was die hohe Nachfrage aber erforderlich macht. Deshalb fährt hier der TGV, dessen zweite Einheit in Straßburg abgekuppelt wird und dort endet oder in die Schweiz weiter fährt.

Auch nach diesem Vortrag wurde noch eine Weile „öffentlich“ diskutiert, bis die Diskussion dann in einen „kleinen Kreis“ verlegt wurde. Ich habe mich dann auf den Weg zum Bahnhof gemacht – nur um dem RE nach Aschaffenburg hinterherzuwinken und unfreiwillig eine Stunde am Frankfurter Hbf zu verbringen …