Nach einer längeren Pause kommt hier mal wieder ein Beitrag der Serie „Einst und jetzt“ über die Veränderungen bei der Vestischen, die ich als interessierter Fahrgast so miterlebt habe, diesmal zum Thema Liniennetz.
Das zeichnete sich Anfang der Neunzigerjahre durch eine historisch gewachsene Struktur aus: Seit der Einstellung der Straßenbahn, die 1982 abgeschlossen war, hatte es kaum Änderungen gegeben. Die meisten Linien fuhren im 30-Minuten-Takt, andere dagegen zu festen Minuten, aber nicht in jeder Stunde, und manche auch völlig ohne Takt. Meine beiden Lieblingslinien 251 und 287 (die an meiner Schule bzw. bei mir zu Hause vorbei fuhren) waren solche Beispiele. Noch heute weiß ich, dass die 251 von Marl Mitte Richtung Lippramsdorf um 7.46, 9.00, 10.00, 10.48, 11.46, 12.46, 13.20, 14.00, 15.00, 16.00, 17.34 und 18.59 fuhr (früh morgens gab es noch einige Fahrten, die ich aber nicht mehr auswendig weiß). Abgesehen von diesen „taktlosen“ Linien trafen sich die meisten Busse aber zu festgelegten Zeiten an den Busbahnhöfen, in Marl zum Beispiel um 00/30 und 15/45, in Dorsten um 22/52. Allerdings hielten viele Linien etwa in Marl auf dem Hinweg um 00 und auf dem Rückweg um 15, so dass Anschlüsse oft nicht in beiden Richtungen funktionierten. Auch Anschlüsse zu Zügen schienen eher Zufall als Absicht zu sein. Ohnehin konnte man auf manchen Linien schon Verspätungen fest einplanen, weil die Fahrzeiten nicht an den zunehmenden Autoverkehr angepasst waren.
Eine neue Entwicklung im Netz gab es aber doch: die StädteSchnellBusse (SB), die seit Ende der Achtzigerjahre mit wenigen Halten die Ortszentren verbanden. Sie fuhren im Stundentakt und nur während der Geschäftsöffnungszeiten. Pilotlinie war die SB 26 Dorsten-Deuten–Marl–Recklinghausen, später kamen unter anderem die SB 25 Dorsten ZOB–Marl–Recklinghausen und SB 24 GE-Buer–Recklinghausen–Datteln–Waltrop hinzu. Die Anschlüsse an den Umsteigepunkten waren meistens nicht auf die Schnellbusse ausgerichtet, so dass die durch die schnellere Fahrt gewonnene Zeit oft durch Warten wieder verloren ging.
Seitdem hat sich eine Menge getan: Zwischen 2000 und 2003 wurden in allen Städten im Bedienungsgebiet der Vestischen die Nahverkehrspläne (NVP) umgesetzt, die gemeinsam mit dem Kreis Recklinghausen und den kreisfreien Städten Bottrop und Gelsenkirchen entworfen wurden.
Durch die NVP-Umsetzung sind die Fahrpläne kräftig durcheinandergewirbelt worden (siehe die Liste der alten und neuen Linien). Neben einigen wenigen unveränderten Linien wurden Linienabschnitte neu zusammen gesetzt, andere völlig neu eingeführt (wie etwa zwischen Oer-Erkenschwick und Marl oder durch das Neubaugebiet Hüls-Süd) und andere ganz eingestellt (wie etwa zwischen Altendorf und Marl). Auf den neuen Linien sind Taktverkehr und realistische Fahrzeiten selbstverständlich. Auch die Symmetrie des Fahrplans ist jetzt auf viel mehr Linien umgesetzt als vorher, das bedeutet, dass Anschlüsse auf der Hinfahrt meistens genau so funktionieren wie auf der Rückfahrt.
StädteSchnellBusse spielen eine viel größere Rolle, fahren an allen Tagen bis Betriebsschluss und bieten als Rückgrat des Netzes bessere Anschlüsse an Bus und Bahn. Allerdings werden auf manchen Abschnitten jetzt alle Haltestellen bedient, weil es keinen Parallelverkehr mehr gibt, so dass der Name „Schnellbus“ sich oft nur auf die direkteren Linienwege bezieht (Karte des Schnellbusnetzes).
Völlig neu sind die Taxibusse, die nur auf Bestellung fahren. Sie sind Vor- und Nachteil zugleich: Für manche Gegenden wie das Altenzentrum Maria Lindenhof in Dorsten ermöglichen sie überhaupt erst eine ÖPNV-Anbindung, manchmal wurden aber auch Linienabschnitte des Standardnetzes auf Taxibus umgestellt (z.B. Marl–Lippramsdorf).
Seit 2002 gibt es auch ein NachtExpress-Netz im Vest Recklinghausen. An Wochenenden und vor Feiertagen kann man seitdem bis etwa 3 Uhr alle Haltestellen an den Hauptverkehrsadern erreichen. Im Gegenzug wurde allerdings der Betriebsschluss der regulären Linien von etwa 1 Uhr um eine Stunde vorverlegt; Nebenlinien fahren ab etwa 21 Uhr nur noch als Taxibus.
Insgesamt kann man sagen, dass die Umsetzung der NVP frischen Wind in das Busnetz im Vest gebracht hat. Das bedeutet auch, dass sich die Fahrgäste öfter an Änderungen gewöhnen müssen als früher. Leider sind einige der Angebotsverbesserungen nicht ganz so gut angekommen wie erhofft, so dass sie schon wieder Geschichte sind. Durch das Glück, an einer der neuen Schnellbuslinien gewohnt zu haben, habe ich persönlich von den neuen Konzepten jedenfalls eher profitiert und wünsche mir – wie schon bei den Fahrzeugen – den alten Zustand nicht ernsthaft zurück.